Saturday Night and Sunday Morning

Montag, 25. Juli 2011

Meine beste Freundin war für ein langes Wochenende nach London geflogen, um mich zu besuchen (deshalb war hier die letzten Tage nichts zu lesen, ich hatte Dringenderes zu tun als zu bloggen). In solchen Fällen hofft man ja bizarrerweise immer, dass die Stadt sich von ihrer besten Seite zeigt; in etwa so, wie Eltern sich dafür verantwortlich fühlen, dass die Kinder in Gegenwart Fremder schön artig sind. London war gottlob vorbildlich artig, holte die Sonne raus und war auch sonst mächtig charmant. Zum Beispiel am Samstag abend, als im Privatgarten hinter meinem Haus das Garden Committee einen Filmabend mit Some like it hot organisiert hatte. Eine Leinwand war aufgebaut worden, Gartenstühle und Picknickkörbe herbeigeschleppt worden, wir stöpselten unsere mitgebrachten Kopfhörer in Transmitter, die die Ruhe der anderen Nachbarn garantierten – und guckten verzückt und mit ordentlich viel Wein der zweitberühmtesten blonden Ukulelespielerin der Welt zu. Like Jell-O on springs.

Am Sonntag dann ein paar Straßen von mir entfernt zum berühmtesten Zebrastreifen der Welt, der seit Dezember 2010 sogar unter Denkmalschutz steht: der vor den Abbey Road Studios, über den die Beatles auf dem Cover von Abbey Road gingen. Ich schätze, Autofahrer machen im Sommer und am Wochenende einen weiten Bogen um diese Stelle, denn zu fast jeder Zeit gehen Touristen und Beatles-Fans über den Zebrastreifen, schöööön langsam, in möglichst ausdrucksvollen Posen, und fotografieren sich dabei gegenseitig. Wir selbstverständlich auch. Hübsch: Die Abbey Road-Studios haben eine Webcam eingerichtet, die Tag und Nacht auf den Zebrastreifen gerichtet ist.

Zebrastreifen in der Abbey Road: Vor Haus Nr. 3, St. John’s Wood, London

In memory of

Sonntag, 24. Juli 2011

Eine Bank in der Grove End Road. Auf der Straße, nicht im Park. Weil er eben nicht den Park gefegt hat.

Charming

Donnerstag, 21. Juli 2011

Der Afternoon Tea im Langham ist letztes Jahr mit dem Oscar der Teewelt, dem Tea Guild’s Top London Afternoon Tea Award, ausgezeichnet worden. Musste also getestet werden. Ganz große Oper: Hummer- und Lachs-Sandwiches, Himbeer-Macarons und Mangotörtchen, Scones mit weißer Schokolade und in Louis Roederer-Champagner eingelegten Rosinen (really!) und natürlich ein Tee-Sommelier. Teuer, aber man muss davor und danach und am folgenden Tag nichts mehr essen.

The Langham, 1c Portland Place, Regent Street

Nur so II

Donnerstag, 21. Juli 2011

Und dann ist auch gut mit der Musik für heute. But this is just so lovely.

Vorher/nachher

Donnerstag, 21. Juli 2011

Nicht wiederzuerkennen! Die Kanne war im Teekannen-Spa und hat eine Ganzkörpermassage mit Carrs Anti-Tarnish Silver Polishing Mitts bekommen. (Für diejenigen, die sich fragen, was ich so den ganzen Tag mache: Ich spiele „Das Haus am Eaton Place“.) Jetzt darf sie wieder mit in den Koffer.

Nur so

Donnerstag, 21. Juli 2011

Bits of wit

Mittwoch, 20. Juli 2011

Ich mag an London so, dass bei allem Bombast so einer Millionenstadt allerorts der stille, kleine Witz blüht. Das Sherlock Holmes-Motiv in der U-Bahn-Station Baker Street zum Beispiel: tausendmal gesehen. Aber erst jetzt ist mir aufgefallen, dass das Kachelmuster aus tausenden Mini-Sherlocks besteht. Eine Entdeckung auf den zweiten Blick, zweifellos ganz im Sinn von Mr. Holmes.

Wenn wir gerade bei U-Bahn sind: In jeder Station gibt es morgens immer handgeschriebene Tafeln über die Verkehrssituation des Tages, ausgefallene Züge etc, In meiner Station Warwick Avenue allerdings nutzt der Stationsleiter die Tafel an ruhigen Tagen lieber für morgendliche Grüße an die Kundschaft und Kommentare zur aktuellen Nachrichtenlage. Ich lieb’s ebenso wie die Socken der Männer hier: oben Bank, unten Punk, immer wieder ein Vergnügen.

Und zuguterletzt (ja, ich weiß, dass man das jetzt zu guter Letzt schreibt, but I can’t be bothered): Auch dies ist ein Vergnügen – die Art, mit der hier in Buchgeschäften (in diesem Fall Hatchards) kategorisiert wird. Abteilung Reise, Unterabteilung Unerschrockenes Reisen: Da gucke ich gleich zweimal so gern hin. Und finde natürlich wieder mal was.

Stichhaltig

Sonntag, 17. Juli 2011

Ein Tag nach dem Unfall und noch immer ein bisschen neben der Spur. Und wie immer, wenn das System gestört ist, passieren viele kleine Mini-Unfälle. Ich verbrenne mir die Hand am Ofen, ich stolpere, ich lasse Dinge fallen, ich lösche versehentlich eine Seite hier im Blog… lauter Signale, dass das Leben gerade unrund läuft. Die größte Blödheit habe ich direkt nach dem Unfall begangen: Ich hatte mein Handy aufs Autodach gelegt, weil ich eine Nummer nachgeguckt hatte, und beim Weiterfahren… ja, genau. Darin steckt natürlich eine Lektion (wie in allem): dass ich vielleicht ein paar Tage Schonung brauche. Die ich mir sonst eher zähneknirschend gönne.

Der Tag heute war dafür schon mal genau richtig: Ich hatte einen Stickkurs in der Idler Academy gebucht. Oh, das braucht gleich mehrere Erläuterungen:

1. Doch, Sticken. Ich schätze, jeder hat eine bis mehrere peinliche oder zumindest erklärungsbedürftige Leidenschaften, und eine von meinen (ich fürchte, ich habe eine Menge) ist Sticken. Oder vielleicht besser: war Sticken. Denn wie das Leben nun mal ist: Ich habe bestimmt 15 Jahre lang nichts mehr gestickt. Dabei mochte ich immer die Langsamkeit, das Halbanwesende, das Wegdriften, die Möglichkeit, dabei Radio zu hören oder großartige Unterhaltungen zu führen. Auch dazu ist das Reisen ja wunderbar: wieder zu entdecken, was einem Freude macht. Und warum.

2. The Idler Academy. Auf die bin ich gestoßen, weil ich ein Fan von Tom Hodgkinson bin, dem Hohepriester des intelligenten Müßiggangs. How to be free ist eine schöne, wenn auch gelegentlich Cambridge-verquaste Anleitung, wie man aus seinem langweiligen Alltag ausbricht. Eine Art Räuberleiter zum stilvollen Ausstieg. Es ist nicht jedermanns Sache, aber zufällig meine: sich von unnötigem Zeugs und eingebildeten Verpflichtungen befreien, Ukulele spielen lernen, deutlich zu viel trinken und dabei verboten viel Spaß haben. Vereinfacht gesagt. Als ich beim müßigen Surfen darauf stieß, dass er jetzt ein Café mit angeschlossener Buchhandlung und Akademie für den vierten Bildungsweg betreibt, in der man unter anderem Kurse in Latein und Sockenstopfen belegen kann, war ich natürlich sofort entflammt.

Und wie so oft fand ich bestätigt: Merkwürdige Ideen ziehen interessante Leute an. Im Stickkurs von Sally Nencini saßen außer mir Allison, die Indie-Plattenproduzentin („Warum ich hier bin? Ich muss runterkommen von meinem Job“), Rebecca, Digital Manager bei einem Zeitungsverlag (an der Tatsache, dass es immer mehr Berufsbezeichnungen gibt, die man mir erst erklären muss, merke ich, wie alt ich bin), Isabel, Schauspiellehrerin, und Sally Nencini, die Lehrerin, die früher mal Designerin bei Levis war, dann einen Lehrgang im Möbelpolstern machte (das sie inzwischen selbst lehrt) und jetzt personalisierte Sesselbezüge bestickt. Es war, wie man sich vorstellen kann, ein ausgesprochen vergnügter Tag. Lauter Frauen, die irgendwann mal in der Schule gestickt haben, eigentlich überhaupt keine Zeit hätten für solchen Kram, aber um so lustvoller sich genau diese Zeit einfach nahmen, hier fünf Stunden auf altem Schulgestühl zu hocken und den Kettenstich neu zu lernen. Und sich Sachen zu erzählen, die man sonst einfach nicht erzählt.

The Idler Academy, 81 Westbourne Park Road, London. Di bis Sa 10 bis 18.30 Uhr, So 11 bis 17 Uhr, Mo geschlossen.

Puh

Freitag, 15. Juli 2011

Komischer Tag, dachte ich, als der Transporter in meine Beifahrerseite krachte und mich ein paar Meter mitschleifte. Ich trat hart auf die Bremse und spürte schon den Schlag von hinten, als ein weiterer Wagen auf mich auffuhr. Das Merkwürdige an Unfällen ist ja nicht nur diese zeitlupenartige Verlangsamung, dank derer man jede Nanosekunde kristallklar erlebt, sondern das angestrengt erwachsene Funktionieren hinterher, mit dem man Kontaktdaten austauscht und kleine Witze reißt, während man innerlich noch zittert. MIr ist nichts passiert, danke der Nachfrage, der Transporter-Fahrer hatte Schuld, er schoss aus seinem Parkplatz heraus, ohne mich auf der Straße zu sehen.

Es war das erste Mal auf dieser Reise, dass etwas wirklich Unangenehmes passiert ist – eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, was ich schon alles erlebt habe. Um so dankbarer bin ich, dass auch hier alles gut gegangen ist. Es hat mich einfach nur daran erinnert, dass alles auch ganz anders laufen könnte.

Der Unfall war eingebettet in einen Tag voller Lieblichkeit. Ein letztes Frühstück am Holztisch vor der Balancing Barn, im Pyjama in der Morgensonne. Ein letzter Besuch im Nachbarort Halesworth, einem unendlich charmanten Bilderbuchörtchen. Der Schlachter in blaugestreifter Schürze, das Sportgeschäft mit Cricket-, Angler- und Rugby-Ausrüstungen, die Besitzerin des Handarbeitsgeschäfts, die in der Sonne strickte – ich guckte lange in die Auslage des örtlichen Maklers.

Und am Abend, mit immer noch leicht flatternden Nerven, mein erstes Mal Ballett, Romeo und Julia mit den Bolschoi-Superstars Ivan Vasiliev und Natalia Osipova, auch im wahren Leben ein Paar. Ich verstehe ja nichts von der Sache, aber wie kann es sein, dass ein niedergeworfener Fehdehandschuh auf der Bühne mehr Lärm macht als die Landung von Vasiliev nach einem Sprung, bei dem er circa zehn Minuten in der Luft hängt? Den beiden zuzugucken macht etwas hysterisch. (Auch vor Lachen, denn… ich kann unmöglich die einzige gewesen sein, die ununterbrochen auf Vasilievs großzügig dimensioniertes Suspensorium gestarrt hat.) Am Ende des Abends saß ich da und dachte: Glück gehabt, wieder mal. Heute morgen, heute nachmittag und gerade eben.


Landleben II

Donnerstag, 14. Juli 2011

Genau so ist es hier. Immer noch ungeschlagen.