Sonntagszeitung
Kleine Presseschau aus Fortune, Äthiopiens größter englischsprachiger Wochenzeitung. Groß heißt in diesem Fall: eine Auflage von 7.500 bei gut 83 Millionen Einwohnern. Die Zeitung ist angeblich regierungsunabhängig. Tatsächlich ist ihr Chefredakteur bestens mit Premierminister Meles Zenawi befreundet.
• Titelgeschichte: Kabinett billigt einen Kredit in Höhe von 60 Millionen Dollar für den Ausbau der 4,3 Kilometer langen Straße vom zentralen Meskel Square zum Flughafen. Darlehensgeber: eine chinesische Bank. Auftragsempfänger: ein chinesisches Bauunternehmen. Der Auftrag war zunächst an ein einheimisches Unternehmen gegangen, dem es „aufgrund von Zweifeln an ihren Fähigkeiten“ wieder entzogen wurde. Über die Querelen sind vier Jahre ins Land gegangen, die Chinesen sollen jetzt aber trotzdem den ursprünglichen Fertigstellungstermin, 2013, einhalten – denn Addis Abeba wird dann Gastgeberin der Feiern zum 50. Jahrestag der Afrikanischen Union. Baubeginn: Anfang 2012.
• Einführung einer bislang nicht verbindlichen Haftpflichtversicherung für Autofahrer als Reaktion auf die hohen Unfallquoten. Eine Zahl von 2002: jährlich 134,3 Verkehrstote pro 10.000 zugelassene Fahrzeuge. Haftpflicht-Höchstsumme im Todesfall: 1.700 Euro.
• Der neue indische Hoteldirektor des Hilton will drei der derzeit vier Handy-Händler bis Jahresende aus der Lobby schmeißen. „Es soll hier aussehen wie ein Hotel, nicht wie ein Shoppingcenter.“
• Die äthiopische Öko-Schuhfirma soleRebels steht auf der Shortlist für den African Award for Entrepreneurship. Die Firma, die Schuhe aus alten Lastwagenreifen und handgewebten Leinenstoffen herstellt, wurde 2004 von der jungen Addis Abebanerin Bethlehem Tilahun Alemu mit 20.000 Euro Startkapital gegründet und macht inzwischen mehr als eine Million Dollar Umsatz. Die Schuhe sind in Deutschland über Amazon zu beziehen.
• Per Gerichtsentscheid sind 340.000 Euro einer einheimischen Charityvereinigung, des Human Rights Council, eingefroren worden, weil sie aus ausländischen Quellen stammen. Laut Statut müssen äthiopische Organisationen sich zu 90 Prozent aus einheimischem Geld finanzieren. Doch der Human Rights Council hat innerhalb von Äthiopien lediglich 14.000 Euro an Spendengeldern einnehmen können.
• Erste Ernte der Castel Winery: 75 Zentner Chardonnay-Trauben auf einer Farm in Ziway, 160 Kilometer südlich von Addis Abeba. Das französische Unternehmen Castel hat vor drei Jahren eine Million Rebstöcke aus Bordeaux importiert und eingesetzt. Man will künftig zweimal im Jahr ernten, es herrsche ideales Weinbauklima, auch wenn der extrem alkalische Boden Probleme bereitet. Bis 2015 sollen jährlich 1,5 Millionen Flaschen Wein produziert werden, 50 Prozent davon für den Export.
• Steuereinnahmen in Addis im vergangenen Quartal verdoppelt im Vergleich zum Vorjahresquartal.
• Ganzseitige Immobilienanzeige für die „Beverly Hills Apartments“ in Yeka: 140 Quadratmeter für 100.000 Euro. Durchschnittliches Jahreseinkommen in Äthiopien: 88 Euro.
• Ganzseitige Anzeige für koreanische Tresore. „Kostenlosen Service, falls Sie früher einmal beim Kauf eines koreanischen Tresors Probleme gehabt haben sollten.“
• Memorandum über den Bau von landesweit vier neuen Gefängnissen, zusätzlich zu den veralteten Gefängnissen aus den 50er Jahren mit Platz für weitere 18.000 Häftlinge. Derzeit sitzen 326 Häftlinge mit Todesstrafen in den Gefängnissen.
• Mehrere ganzseitige Anzeigen von ortsansässigen Firmen wünschen „Fröhliches Opferfest“, so auch die des Sheraton Hotels: „Fountain Court offers its Classical High Tea“.
Und das war der Presseclub am Sonntag. Ich bedanke mich für Ihr Interesse.