Dear Mr. Irikura

Mit Mr. Irikura habe ich unzählige Mails gewechselt in den letzten Monaten. Er ist der Manager eines Apartmentkomplexes in der Nähe der Ikebukuro-Station, der zweitgrößten Bahnstation von Tokyo. Dort wollte ich für den April eine kleine möblierte Wohnung anmieten, halbwegs bezahlbar, Internet-Zugang, das Übliche. Für die Wohnung musste ich mich bewerben, der Bewerbungsbogen wollte allerhand von mir wissen: Für welche Firma arbeite ich? Wie lange schon? Was verdiene ich? Wie hoch ist der Jahresumsatz der Firma? Notwendige Dokumente: Ausweiskopie, Einkommensnachweis, eine Selbstdarstellungsbroschüre der Firma, einen Geschäftsbericht der Firma und so weiter. Vorsichtig brachte ich Herrn Irikura bei, dass ich keine office lady bin, sondern freiberuflich, dass ich aber für verschiedene Zeitschriften schreibe. Ob ich dann bitte Exemplare der Zeitschriften schicken könne? Schwierig, lieber Herr Irikura, ich bin gerade in Buenos Aires.

So ging es ein wenig hin und her, in der Zwischenzeit war die gewünschte Wohnung nicht mehr verfügbar, dafür eine andere, wir kamen trotzdem nicht recht weiter. Bis ich mich entschloss, die Künstlerkarte zu ziehen. Wenn ich denn schon ein nach japanischem Verständnis liederliches Leben führe, dann richtig. Ich schrieb also, ich sei Autorin, hätte auch schon Bücher geschrieben, eines solle jetzt verfilmt werden, „Oscar-winning actor Christoph Waltz“ wolle Regie führen, hier die entsprechenden Links. Augenblicklich kam die Antwort von Herrn Irikura:

„Dear Meike Winnemuth san,
Now I know you are a great person.
I will take approval for your stay.
Best regards,
Hajime Irikura.
Ikebukuro Duplex Tower.

Gestern nun habe ich Herrn Irikura mit schwerem Herzen abgesagt und mich dabei wie eine Verräterin gefühlt. So als ob ich ihn im Stich lasse. Er schrieb zurück, dass es ihm gut gehe, danke der Nachfrage, auch den Bewohnern des Hauses. Dass das Haus nur ein paar kleine Risse habe. „But Tokyo is okay. While we are suffering from some transportation disorders and electric supply shortages, these are not serious ones and the recovery is being made quickly. We are still able to manage everyday life all right as we’ve got no serious damage to basic life line.“ Und dass er selbstverständlich keine Stornogebühren verlange.

Es ist so zum Heulen.

42 Antworten to “Dear Mr. Irikura”

  1. Franka Says:

    O you dear great person,

    es ist zum Heulen – zum Erstarren – zum Bewundern ist die Haltung der Bevölkerung -

    es ist

    Herzlichst!
    Franka

  2. Astrid Says:

    Es ist einfach ohne Worte…ich bin sehr berührt und traurig

  3. Michael Iwanowski Says:

    Ja, diese Haltung ist wirklich zu bewundern.

    Bei uns gerade jammern sich Tausende zu Geigerzählern – die sind ausverkauft im Rheinland !

  4. Toni Says:

    Die ausverkauften Geigerzähler und Jodtabletten in Deutschland – erbärmlich, man schämt sich fast. Statt wirklich Anteil zu nehmen, was Japan angeht, sorgen sich die Leute hysterisch um die eigene Haut, die gar nicht bedroht ist. Ich hoffe und bete, dass Tokyo und Japan das Schlimmste erspart bleibt, dass das Ganze Desaster so glimpflich wie möglich ausgeht.

  5. Karen Says:

    Toni: Vielleicht sind einige Deutsche hysterisch, vielleicht haben sie aber auch einfach Angst. Und bei Angst reagiert der Mensch bekanntlich oft über. Das schliesst nicht aus, dass diese Menschen in Gedanken nicht auch sehr in Japan sind. Es hat nichts mit Egoismus zu tun. Die hiesige Kultur erlaubt es, Angst offen zu zeigen. Die Demut und Disziplin, die in Japan an den Tag gelegt wird ist Teil der japanischen Kultur. Ich finde die Haltung der Japaner auch bewundernswert. Aber im Umkehrschluss sehe ich keinen Anlass, mich über die Ängste derer, die in Deutschland panisch reagieren, aufzuregen. Eine Kollegin von mir hat sich auch Jodtabletten gekauft, für ihre 3 Kinder. Was daran ist zum Schämen? Vielleicht ist das ihr persönlicher Weg, ihren inneren Angst-Affen für den Moment zu zähmen. Das kann mit Fragezeichen zur Kenntnis genommen werden. Doch da sie durch ihr Tun niemandem schadet, ist ein abwertendes Urteil fehl am Platz!

  6. Barbara Says:

    Die Reaktion von dem Herrn ist irgendwie typisch für das, was man immer aus Japan hört (ich mache seit einigen Wochen einen Sprachkurs, die Lehrerin hat da einiges erzählt): Höflich, nicht jammern (wenn ich das mit meinem Heimatland vergleiche…), anderen nicht zur Last fallen, d.h. sie schreiben über das positive; sie managen das Leben zurzeit ohne nach außen zu klagen, es geht alles usw. – anderswo wäre schon längst Panik ausgebrochen. Ich ziehe meinen Hut vor dieser Contenance.

  7. Barbara Says:

    Sorry, reiche den Genitiv nach – “des Herrn” (bin gerade selbst im Ausland unterwegs, da leidet meine Grammatik…)

  8. Sonja Says:

    Ja, die Japaner sind ein unglaubliches Volk, faszinierende Einstellung, so völlig anders als die unsere… Ich hatte selbst das Glück, zwei Mal in Japan zu Besuch sein zu dürfen und Japaner kennenlernen zu dürfen und ich wünsche Ihnen, Meike, von ganzem Herzen, dass sich irgendwann später diese Gelegenheit für Sie noch mal ergibt. Es lohnt sich ganz bestimmt. Japan und die Japaner sind wunderbar, faszinierend und einfach unglaublich spannend.

  9. nelly fleckhaus Says:

    Liebe Meike,

    da ich auch Zimmer im Fleckhaus vermiete/bzw. demnächst das ganze Haus, bekomme ich Anfragen aus der ganzen Welt. Die meisten schreiben oft nicht einmal. wie sie mit Nachnamen heißen, wie Ihre Adresse lautet und wie ich sie – außer über Email – erreichen kann.

    Auch die geünschte Mietzeit fehlt häufig völlig.

    Ein Foto oder ein Hinweis auf eine Internetseite wie z. B. facebook?

    Fehlanzeige.

    Deshalb musste ich über deinen Mr. Irikura ein wenig schmunzeln.

    Vielleicht sollte ich ihn mir als Vorbild nehmen.

    viele Grüße

    Nelly Fleckhaus

  10. nelly fleckhaus Says:

    gewünschte – natürlich

  11. nelly fleckhaus Says:

    Es gibt aber auch positive Ausnahmen. Minzhe, die ab dem 8. Mai bei uns wohnt schreibt:

    Dear Mrs. Fleckhaus

    I’m Minzhe from China. I will start an internship in Cologne in April. My friend Katharina helped me to find your apartment. I checked the link of your house and I have to say it’s exactly the place I’d like to live. Oh no, I should say it’s far more than my expectation. It’s my luck to find such a place. Katharina told me you’d like to get to know me more before I arrive. (You must be a really considerate landlord. :) )

    Well ,I come from China. 22 years old. Female. My major is mechanical engineering and economics. I find an internship in a company called c. in B. through an international student organization called AIESEC. I think I’m kind of easy-going, haha. I think I can be a good tenant, no pets, no bad habits, no interest in Rock N Roll or any other kind of loud music.

    It’s a pity that I can’t speak German. But it won’t stop me communicating with you and other tenants. It’s said that there are 4 more young people from different countries living in the house. It will be really interesting. I’d like to learn from both you and them and share my culture as well.

    And I will arrive on the evening of 8th,April and leave on 31th, August.

    I’m really excited to move in. And email me if you need any other information of mine.

    Best Regards.

    Minzhe

  12. Lissi Says:

    Ich habe nun in allerkürzester Zeit alle Beiträge seit Beginn Ihrer Reise gelesen und ich muss gestehen: Ich bin überwältigt. Mir fällt von den mindestens 100 gelesenen Büchern nicht eines ein, das ich lieber las – oder viel mehr, lieber verschlungen habe – als dieses wundervolle Reisetagebuch.

    Ich wünsche Ihnen für die weitere Reise, dass all das was SIE sich wünschen, in Erfüllung geht. Dass Sie gesund bleiben und bei all den furchtbaren Dingen, die momentan die Welt erschüttern, am Ende heil und unversehrt in Ihre Heimat zurückkehren können.

    Für mich ist es etwas ganz besonderes, nun aus der Ferne an Ihrer Weltreise teilnehmen zu dürfen. Vielen Dank dafür!

    Liebste Grüße,
    Lissi

  13. HollyGolightly Says:

    @frau fleckhaus: ob ihr gast aus china wohl damit einverstanden ist, daß seine/ihre mails im internet veröffentlicht werden? das frage ich mich auch bei mr. irikura.
    mir persönlich würde das nicht gefalllen.
    der eintrag hat mich unabhängig davon sehr gerührt.

  14. Fabienne Says:

    @HollyGolightly:das Gleiche habe ich mich auch gefragt.

  15. Rita Veras Says:

    Dieses Reisetagebuch finde ich wunderbar, weil es wahr ist, weil es ehrlich ist und trotzdem diskret.
    Die Menschen und die Welt sind wie sie sind! Nur – warum müssen die Menschen auch noch ihre selbstgemachten schrecklichen Szenarien als Restrisiko hinstellen. Das ist und war ein wahnsinniges Risiko in einem Erdbebenland derartige Kraftwerke zu bauen. In Neuseeland z.B. gibt es kein einziges Atomkraftwerk.
    @HollyGologhtly – wenn man im Internet schreibt muß man damit rechnen veröffentlicht zu werden. Der Brief von Mr. Irikura läßt einen doch nur lächeln, auch wenn man nicht Japaner ist.
    Danke Meike Winnemuth für den Versuch der Findung von C.A. in Buenos Aires. Ich werde dran bleiben.

  16. Sonni Says:

    Hallo Meike,

    ja fahren Sie nach Honolulu! ich habe gerade gelesen, dass das zu deutsch “beschützter Hafen” bedeutet, und das tut Ihnen vielleicht jetzt ganz gut (und uns auch)
    Schade, dass Riga jetzt aus den Städten rausgeflogen ist, darauf hätte ich mich gefreut, zumal es ja auch Kulturhauptstadt dieses Jahr ist und sich deswegen wohl viel getan hat. Aber Barcelona ist auch sehr schön :)

    Ich freu mich, weiter mit Ihnen reisen zu dürfen!

  17. Nane Says:

    Liebe Meike,

    es ist unglaublich, wie verbunden man sich mit Ihnen, Ihrer wunderbaren Reise und allen anderen “Mitreisenden” fühlt…
    Wäre all das nicht der Stoff für einen -oder mehrere- Bestseller?
    Ich wünsche Ihnen die Kraft, all das Erlebte zu verdauen und den Mut, weiter nach vorn zu blicken.
    (Hawaii ist tatsächlich traumhaft – mit eigenen Augen gesehen und für immer verliebt).

    Bis morgen früh -Sie in Mumbai, ich im Schlafanzug in Berlin bei meinem Morgenritual-,
    herzlichst, Nane.

  18. Justine Says:

    Der Umgang der Japaner mit diesen schrecklichen Ereignissen scheint bewundernswert.

    @Rita Veras
    Ich denke nicht, dass man per se damit rechnen muss, dass eine E-Mail (imgrunde ein Brief, wenn auch elektronisch) im Internet veröffentlicht wird. Vielleicht eine Frage für Dr. Dr. Erlinger…

  19. Monika Says:

    Liebe Meike,
    schade, dass Riga aus Ihrer Reiserout herausgeflogen ist,
    denn diese Stadt ist wahnsinnig interessant.
    Tolle Architektur, mehr als interssante Kultur…
    Viele Grüße
    Monika

  20. Lena Says:

    Ich bewundere die Verhaltensweise der Japan zur Zeit sehr. Während in Europa die große Panik geschoben wird, versuchen die Japaner das “Beste” aus Ihrer Situation zu machen. “Transportation disorders” wie Herr Irikura schreibt, wären bei uns die regulären Verspätungen der Bahn und nicht ein komplette Chaos, wie es jetzt in Japan existiert. Die Email ließ mich richtig schmunzeln, obwohl man die Tragik dahinter nicht vergessen sollte…

  21. Andrea Says:

    Also, ich wäre sehr verstimmt, wenn vertraulich mitgeteilte Informtionen von mir ohne mein Einverständnis in einem Blog verarbeitet werden. Vielleicht sollte man diesbezüglich vorsorglich einen Vermerk unter die Korrespondenz schreiben…

  22. meike Says:

    „Vertraulich mitgeteilte Informationen“ im Schriftverkehr zwischen Verwalter und Mieterin? Wollen wir die Kirche nicht ein bisschen im Dorf lassen?

  23. Andrea Says:

    Die Kirche IST im Dorf! Lebensabläufe, Gewohnheiten und berufliche Stationen zu veröffentlichen finde ich vertraulich.

  24. meike Says:

    Ich habe es wahrscheinlich immer noch nicht verstanden: An welcher Stelle habe ich die Lebensabläufe, Gewohnheiten und beruflichen Stationen von Herrn Irikura veröffentlicht?

  25. Justine Says:

    In erster Linie ging es wohl auch um den Post von Frau Fleckhaus.

  26. Fabienne Says:

    Ja ich denk auch das sich das darauf bezog.

  27. Marie Says:

    Bitte nicht streiten im Blog.

  28. Marie Says:

    Bitte streitet nicht, das ist deutsche Rechthaberei, um nicht zu sagen Klugscheißerei. Ich habe zwar auch kurz gestutzt bei dem Fleckhaus-Brief, aber er ist nicht persönlich. Schon gar nicht der Vermieter-Brief. Wir wissen doch alle, wieviel Privates preisgegeben wird auf Facebook etc., oder was viele an privaten Dingen einstellen ins Netz. Diese Briefe sind gar nichts im Vergleich dazu. Die Erzählungen von Frau Winnemuth sind höchst persönlich, speziell ihre Durchhänger, das lesen wir doch auch und beschweren uns nicht, dass sie ihr Herz öffnet. Okay, kann man nicht vergleichen, da sie ja nur über sich spricht. Ich finde, die, die sich an den Reiseerzählungen so freuen, wollen doch grundsätzlich über den Tellerrand schauen und so wenig deutsch wie möglich sein, wir hätten doch gerne das eine oder andere, was Menschen anderer Kulturen auszeichnet, sonst würden wir nicht so aktiv an diesem Blog teilhaben, also take it easy. Zeige- und Mittelfinger hoch: Peace anyway.

  29. Judith Says:

    also ich für meinen teil wusste ja sofort wer die minzhe ist und den herrn irikura kenne ich selbstverständlich auch. da sie ja mit kompletter adresse und geburtsdaten beschrieben waren und es ja nur 7 chinesen und eine handvoll japaner auf der welt gibt.

    …meine güte, manche leute haben sorgen…

  30. Penny Lane Says:

    @judith: ach, und weil es so viele asiaten gibt, darf sich der deutsche herrenmensch einfach mal über deren privatsphäre hinwegsetzen? das ist natürlich auch eine einstellung.
    und ja: manche menschen haben/machen sich sorgen um datenschutz im www.
    = gottseidank!

    @all: es ist doch klar, daß es weniger um die allseits verehrte frau w. geht als um nelly fleckhaus. lasst eure beißreflexe doch mal außen vor und denkt nach: ihr schreibt eine mail mit euren lebensdaten etc. an jemanden, der vielleicht mal euer vermieter wird und der stellt dies ins internet! hallo? ist doch alles nicht so schlimm?
    ist auch nicht schlimm, ne doktorarbeit abzuschreiben , ne?
    moral hat im deutschland des jahres 2011 nix mehr verloren…

  31. Renata Says:

    Ja, wir haben`s verstanden. Danke für den Hinweis. Und dann muß auch mal wieder gut sein.

  32. marie Says:

    Wie ein amerikanischer Ex immer zu mir gesagt hat, wenn ich ausgetickt bin: Snap out of it.

  33. Judith Says:

    es steht ja aber doch rein gar nichts bedenkliches drin!!!

  34. nelly fleckhaus Says:

    Mein Absicht ist, mitzuteilen, dass, wenn man sich aus der Ferne um ein Zimmer bemüht, gut dran tut, sich ein so genau wie möglich zu präsentieren.

    Und von mir aus auch: ein wenig dick auftragen. Dann kann ich mir ein besseres Bild von der betreffenden Person machen.

    Alle persönlichen Angaben habe gekürzt. Das nächste Mal kann ich auch noch den Vornamen abkürzen. Das ist kein Problem.

    Grüße

    Nelly Fleckhaus

  35. Andrea Says:

    Aber Privates. Und es scheint völlig “aus der Mode gekommen zu sein”, den anderen Beteiligten zu fragen, ob man das Geschriebene auch veröffentlichen darf. (Was allgemein gemeint ist.) Ich stelle mit verwunderung fest, dass meine Telefonnummer munter von weitergereicht wird, ohne Erlaubnis von mir. Wenn ich darauf hinweise, zumindest gefragt werden zu wollen, ernte ich Bestürzung. Von mir aus kann von sich jeder auf Facebook usw. zeigen, hochladen, mitteilen, was ihm beliebt, mir ist das oftmals zu privat. Und das will ich “alles” gar nicht wissen. Doch man scheint wirklich “von gestern” zu sein, wenn man sich von dem Sog nicht mitziehen lassen will.

    Wohlgemerkt geht es mir nicht darum, wenn jemand, wie hier Frau Winnemuth,”die ganze Welt” von Zeit zu Zeit in sich blicken lässt, sondern meines Erachtens um den sorgsamen (sorgsameren) Umgang mit anvertrauten, fremden Daten. Wie gerade erlebt am Beispiel der “Bild”, die den Antwortbrief von Judith Holofernes, Frontfrau von “Wir sind Helden” als Anzeige veröffentlichte.
    Nur weil es “alle” machen, ist es noch lange nicht gut.
    Mir ist dieser Grat oft zu schmal und oft genug überschritten.

    Statt “alles” haarklein zu zitieren, reicht doch auch eine Beschreibung der Situation!

  36. Andrea Says:

    Oh, ich glaubte, gleich nach Judith zu folgen.

    @ Nelly Fleckhaus
    Die Person ließe sich ja auch mit gekürztem Vornamen ausfindig machen. Hier werden Zeitraum des Aufenthaltes, Namen Berufliche Stationen und Lebensgewohnheiten, sehr wahrscheinlich ungefragt und unwissend, von der dritten Person ins große weite Netz gestellt!
    Und ohne den Teufel an die Wand zu malen, aber die Konsequenzen für denjenigen, der unwissend in etwas “reinrutscht”, dessen Ausmaße manchmal nicht überschaubar sind, finde ich nicht nur unnötig, sondern auch riskant.

    Nichtsdestotrotz lese ich regelmäßig diesen Blog, lerne Interessantes durch ihn. Und ich finde, es darf auch gestattet sein, einen nicht dem Mainstram folgenden, Gedanken zu äußern.

  37. jule Says:

    Mir ging es auch so, dass mich die Veröffentlichung der E-Mail der künftigen Mieterin befremdete. Nacherzählen hätte aus meiner Sicht genügt.
    Dabei verstehe ich schon Nelly Fleckhaus’ Intention und auch Rührung über die lieben Zeilen und die Mühe der Mietaspirantin, aber richtig finde ich die Veröffentlichung nicht. EGAL, was in der Mail nun drinstand.

    Eine Mail an einen bestimmten Adressaten ist eben nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Nur weil man etwas – aus technischer Sicht – leicht kopieren und verbreiten kann, muss man es nicht tun. Die Möglichkeit, einfach auf “Weiterleiten” zu klicken, erfüllt mich mit Unbehagen, weil nicht jeder überlegt, bevor er klickt.

    Ich habe einige Menschen kennengelernt, die gern und unbekümmert E-Mails an ihren Bekanntenkreis weiterleiten, weil sie einen Text “schön” oder “witzig” finden oder auch “poetisch”. Einer meinte: “Wär doch zu schade, wenn nur ich das zu lesen bekomme, Du hast das sooo schön erzählt! Das _musste_ ich teilen!” Als ich fragte, ob er auch eine meiner Urlaubsanekdoten-Postkarten von mir mal eben nimmt, einscannt oder kopiert und weiterschickt, sagte er: “Aber das ist doch was ganz anderes!”
    Aus meiner Sicht nicht.
    “Aber was in der Mail stand, hätte so auch in einem Blog stehen können…” Stand es aber nicht. Auch wenns keine in dem Sinn vertrauliche Informationen waren: Es war für den Adressaten bestimmt. Nicht für dessen Clique oder Kollegen. Auch wenn ich mich hätte geschmeichelt fühlen können.

    “Inhalte teilen” – in sozialen Netzwerken Mode und Daseinszweck, aber bei meiner Korrespondenz handelt es sich nicht um lauter “offene Briefe”.

    Selbstverständlich gibt es andere Probleme in der Welt, aber mit diesem Argument kann man jegliches Thema zur Lappalie und Marginalie machen.

  38. Silke Says:

    Ranga Yogeshwar hat es in seinem Buch “Ach so!” überzeugend auf den Punkt gebracht, als er in einem seiner Kapitel zum Thema “Warum übertreiben wir ständig?” schrieb, das der Hang zur Übertreibung längst unseren Kulturkreis erreicht hat.

    Wir müssen immer auf dem “aktuellen Stand” sein, haben uns an “Superstars” gewöhnt, sehen uns “ultimative Chartshows” an, lassen uns von “Mega-Angeboten” locken und erleben politische “Gipfel”, “Krisensitzungen” und “Skandale”.

    Niemand spricht mehr von Regen, nein, es ist gleich ein “Blizzard” und erleben wir eine Katastrophe wie in Japan, droht uns nun ein “Super Gau”.

    Wir alle sind Zeugen dieser Verstärkungseffekte, alles ist groß und nimmt für sich in Anspruch, relevant und wichtig zu sein.

    Müssen wir uns immer überbieten? Findet selbst ein normaler POST kein Gehör mehr ohne diverse Extras? Wie wäre es mit ein wenig Bescheidenheit?

  39. Jessica Says:

    Liebe Meike,

    immer wieder gern lese ich Ihre Reiseberichte. Es ist als wäre ich mit unterwegs. Aber für nen schmalen Taler.

    Aber die obenstehende Diskussion langweilt mich. Und es ist immer wieder so: Der Klügere gibt nach. Deswegen regieren auch die Dummen. Nein, kann ja nicht sein. Oder? Es wäre toll, wenn, nachdem alle losgeworden sind, was Sie loswerden wollten, die Diskussion hier ein Ende finden würde und wir uns wieder der eigentlichen Sache widmen könnten. Zum Beispiel: Welches Buch wird denn nun eigentlich verfilmt?

    LG aus dem sonnigen Berlin (Upps… zuviele private Angaben im Internet…egal)

    P.S. Sorry für meine Grammatik und Rechtschreibung, bin grad aus dem Bett gesprungen.

  40. meike Says:

    @Jessica: Das Buch heißt „Auf und davon” und ist gottlob out of print. Kleine leichte Sommerlektüre ohne jeglichen Nährwert.

  41. Barbara S. Says:

    Wenn ich mich recht an den Anfang erinnere, ging es darum, dass in Japan furchtbare Katastrophen zusammen fielen und ein Ausmaß an Folgen über die Menschen hereinbrach, dass bisher so nicht vorzustellen war. Vielleicht sollte man über Etikette- Fragen nicht den Ursprung vergessen und die Koordinaten wieder ein bisschen eichen.
    @Meike:
    Ich finde es sehr verständlich, dass Du keine Lust auf einen Besuch in Tokio hast. Aber es gibt noch andere Städte und Japan und seine Menschen brauchen sicherlich jede mögliche Unterstützung.
    Nagasaki zum Beispiel ist auch eine interessante Hafenstadt in Japan und ganz weit weg von Tokio. Es war die Stadt, die vorgelagert eine Insel hatte, auf der sich Nicht- Japaner aufhalten durften. Diese Nicht- Japaner durften während 250 Jahren 1 mal pro Jahr in einer Gruppe zum Shogun, um Waren und Wissen zu tauschen.
    Nagasaki wurde 1945 von der zweiten Atombombe getroffen. Da der “Point Zero” allerdings über einem Gefängnis lag, wird Nagasaki bei den Gedenkfeiern immer etwas zögerlich erwähnt. Die Gedenkstätte ist auch völlig anders gestaltet als die Gedenkstätte in Hiroshima.
    Oder Kobe. Dort ist es sicherlich interessant zu sehen, wie ein Stadt ein schweres Erdbeben hinter sich läßt.
    Oder Kyoto, die alte Hauptstadt, in der der große Spagat zwischen Tradition und Moderne unglaublich gut zu beobachten ist.

  42. Edoko Says:

    Die Bestürzung im Ausland über die Ereignisse in Japan und das grosse Mitgefühl, geben uns in Japan gebliebenen zusammen mit den Japanern das Gefühl, die Unterstützung der Welt zu haben. Während wir in der Region Tokyo jeden Tag in der Normalität erleben, so als ob alles in einem anderen Land passiert wäre, ist die Lage der Leute im Norden zwar nicht mehr prekär aber dennoch von grosser Sorge. Schlimm ist dass viele Hilfsgüter zwar reichlich vorhanden sind, aber aus div. Gründen nicht unverzüglich in gewisse Orte geliefert werden können. Das beste was man vom Ausland her tun kann, ist Geld an seriöse Organisationen spenden. Damit können Hilfsgüter aus der Region gekauft werden, anstatt diese um die halbe Welt zu schicken.
    Die Grossstädte Tokyo und Yokohama haben nochmal Glück gehabt, es ist nichts gravierendes passiert oder eingestürzt. Mit den geplanten Stromausfällen von 3 Stunden kann man leben, das ist reine Einstellungssache. Viele finden gar nicht statt und einige Zentren bleiben ganz verschont. Es ist auch alles wieder erhältlich, die leeren Regale gewisser Produkte waren eine Spitze von schätzungsweise 4-6 Tagen. Man darf sich von der Panikmache vieler westlicher Medien nicht ins Bockshorn jagen lassen.

    Honolulu? Gutes Ziel. Ist ja auch fast schon Japan ;-) Zumindest könnte man es angesichts der Touristen teilweise meinen.

    @Barbara S.
    Als ich 2003 in Kobe war, hätte man niemals vermutet dass es dort überhaupt mal gebebt hätte. Nur die bedeutend dicker als sonst gebauten blauen Pfeiler der Expressways und Bahntrassen deuteten darauf hin. Ich empfehle jedem der in der Nähe ist einen Besuch, die Museen haben bzgl. Erdbeben einiges zu bieten.