Samstag
Heute einfach mal eine kleine Diashow vom Tag.
6.45 Uhr, Sonnenaufgang. Was ich an meinem Hotelzimmer ernsthaft liebe, ist der Ausblick durch die Panoramascheibe. Pure Stadt, am Morgen und am frühen Abend besonders schön. Die erste Kanne Tee im Bett (aus meiner Buenos Aires-Silberkanne, was war das doch für ein brillanter Kauf).
Open Air-Buchladen am Flora Fountain. Keine Ahnung, wie die das da jeden Tag hin- und wieder wegschaffen. Oder lassen sie die Bücher einfach unter der Plane liegen? Ich habe noch keine Stadt erlebt, die ambulanter ist als Mumbai. Jeden Morgen eröffnen Leute ihr Geschäft ganz einfach auf dem Bürgersteig: Eine Plane oder ein Stück Sackleinen wird auf dem Boden ausgerollt und das ist dann eine Schusterei, eine Handyreparatur, ein Barbier.
Kaufhäuser gibt es hier nicht. Dies kommt noch am nächsten ran: Khadi Gramodyog Sangh, ein großer runtergerockter Laden für indische Kleidung und Einrichtungsgegenstände. Früher, als der Laden noch Whiteaway & Laidlaw hieß, kauften hier die britischen Kolonialbeamten ihre Tropenhelme, Khakishorts und Chinintabletten. Ich habe ein salwar kameez erstanden, das Hemd für 193 Rupien (3,20 Euro). Man schämt sich immer ein bisschen bei solchen Preisen. Die Tageszeitung Times of India übrigens: 5 Rupien, acht Cent.
Khadi Store, 286 Dr DN Marg
Ein Palast? Beinahe. Es ist der Chhatrapati Shivaji Terminus, der Hauptbahnhof von Mumbai. Besser bekannt unter seinem alten Namen Victoria Terminus oder auch kurz VT. Ich stand davor und sagte „wow“. Der junge Inder neben mir, der ihn ebenfalls fotografierte, lachte und sagte „That’s India.“ Ein Architekturkritiker nannte den Stil mal „viktorianisch-gotisch-sarazenisch-italienisch-orientalischer Barock“ und das trifft es so halb. Es ist das größte britische Gebäude in Indien, 1887 vom Architekten der Londoner St Pancras Station gebaut. An der Fassade: steinerne Affen, Pflanzen, Fabeltiere.
Apropos Fabeltiere: Die offiziellen Mülleimer der Stadt bringen mich immer zum Lachen. Pinguine, in Indien? Warum nur? Ich muss das recherchieren.
Nachmittagsvorstellung der Bollywood-Romantic Comedy „Manu Weds Tanu“ im Sterling Cinema. Auf Hindi, klar. Aber man kommt trotzdem mühelos mit.
Der Stadtteil Fort im Zentrum. Hier siedelten die Briten als erstes, man sieht es den Häusern an. Paar tolle Schuppen dabei.
Ich vermelde nicht bei jedem Neuzugang im Koffer, was dafür rausfliegt, das wäre albern. Hier mal eine Ausnahme. Rein: großes Kaschmir-Seiden-Tuch, zweiseitig zu tragen. Raus: goldenes Lederarmband mit der Aufschrift Wohnen im Gewoge und keine Heimat haben in der Zeit. Das Tuch ist ‘n Tick größer, ich geb’s zu.
März 12th, 2011 at 15:12
*prust*
Ich habe mal in der Gewoge gewohnt: Gemeinnützige Wohnungsbau-Genossenschaft. Da hab ich mich jetzt kurz verdacht.
März 12th, 2011 at 15:33
Ja, diese Mülleimer sind spannend. Zumal man überall den Müll so herumfliegen sieht und ich keinen Inder gefunden habe, der ernsthaft an eine Müllsammlung dachte. Im Zug wurde mir von einem netten inder erklärt, dass ich ruhig meine leere Wasserflasche (Plastik) aus dem Zugfenster werfen solle. Ist mir aber während unser gesamten Reise nicht eingefallen irgendeinen Abfall zu dem Abfall auf der Straße zu werfen. Aber diese Müllpinguine habe ich an der ein oder anderen Stelle Indiens gesehen.
In Mangalore haben wir allerdings ein westliches Shopping-Center entdeckt (echt eine Erholung mit diesen Festpreisen ohne Feilschen hinaus gehen zukönnen). Mal sehen, ob mir irgendwie mal einfällt wie dieses Center heißt. Ich kann mir vorstellen, dass es sowas auch in Mumbai geben müsste.
Aber diese Diashow klingt eher wieder wie ein Hoch auf Ihrer Indienreise.
LG
Nictom
März 12th, 2011 at 15:35
schöne bilder. dankeschön.
März 12th, 2011 at 15:56
Wirklich tolle Bilder! Als Buchhändlerin bewundere ich besonders die abenteuerlich hoch gestapelten Bücher! Wie man dort wohl einen bestimmten Titel findet…?
März 12th, 2011 at 17:22
Ja, die Bücherstapel sind wirklich beeindruckend. Und die “Hütten” auch, wow! – Was mir momentan fehlt ist das Essen. Sind Sie durch Ihre Magen-Darmgeschichte vom Foodie zum Asketen geworden, liebe Meike?
März 12th, 2011 at 17:38
da kann man hoffen, dass die bücher ordentlich von oben nach unten gekauft werden..und was, wenn ich das unterste haben möchte?:o)
toll.. ich liebe bücher.. da würde ich gerne schön indische bildbände raussuchen..
viel spaß
März 12th, 2011 at 18:48
Sie sehen und erleben ja wirklich eine ganze Menge, aber gerade wenn man so weit von daheim entfernt ist, hat man doch bestimmt auch Momente, in denen man Bestimmtes (Personen/ Dinge/ Kleinigkeiten wie die eine bestimmte Joghurtsorte …) ganz besonders vermisst. Was fehlt Ihnen am meisten auf Ihrer Reise (ohne zu persönlich werden zu wollen)?
März 12th, 2011 at 19:46
Werte Frau Winnemuth, ich möchte Ihnen danken, dass ich an Ihrem Abenteuer teilhaben darf! Im aktuellen “Stern” in ” unserer Welt ” ist ein beeindruckendes aktuelles Foto aus Mumbai… Haben Sie – in dieser Riesenstadt – von dem Brand in Garib Nagar überhaupt etwas mitbekommen können? Ich wünsche Ihnen weiter eine gute Zeit und freue mich mit Ihnen reisen zu können… Alles Liebe Kerstin
März 12th, 2011 at 19:58
OOh nein, wie können sie sich von diesem schönem Armband mit dem Gedichtasuzug von Rilke trennen?!Es schmerzt mich für sie mit. Ich hoffe es landete nicht im Müll?
Ach ja die Bilder, der Bahnof wunderbar!!
P.S. das mit den Pinguinen würd mich auch interessieren.
März 12th, 2011 at 21:07
auf diesem Bild sieht der Hauptbhf. so viel schlichter aus als auf Ihrem Foto. Ist das der gleiche Bahnhof oder hat Mumbai mehrere von der Sorte?
http://www.geo-reisecommunity.de/bild/111627/Mumbai-Indien-Hauptbahnhof
oder ist das ein Bild aus der Zeit, bevor der Bahnhof aufgebrezelt wurde?
Weiterhin eine gute Reise.
März 12th, 2011 at 21:20
Das Tuch ist wunderschön.
Noch gute restliche Tage in Mumbai und viel
Spaß zu zweit in Rajastan.
Schöne Grüße
Angelika
März 12th, 2011 at 22:30
@Tina: Dinge vermisse ich nicht, ich habe mein Herz nie sehr an Gegenstände gehängt. Was mir fehlt: das Gefühl von Nähe und Zugehörigkeit. Trotz der vielen Leute, die man unterwegs trifft, bleibt man allein. Trotzdem, ich habe es an anderer Stelle schon beschrieben, ist dies meine liebste Art zu reisen. Die Aufmerksamkeit auf die Welt ist ungeteilt, alles ist auf Empfang geschaltet.
@Monika: Ich lebe hier tatsächlich ein bisschen asketischer als in Buenos Aires und Sydney. Was ich esse, ist in der Regel sehr einfach. Bisschen Huhn, bisschen Linsen, bisschen Lassi. Es schmeckt alles toll, sieht aber nicht furchtbar spektakulär auf Fotos aus.
@Kerstin: Den Brand habe ich natürlich mitbekommen, aber er war hier auch nur für einen Tag Zeitungsthema. Es passiert halt viel in so einer Stadt. Ich vermute, in den Stern hat’s die Sache auch nur geschafft, weil die Kinderdarstellerin aus Slumdog Millionaire betroffen war.
@Fabienne: Das Armband hatte seine besten Tage hinter sich, die Schrift war stellenweise schon abgerubbelt.
@Ben’s Mum: Das Gebäude auf dem Geo-Foto ist der Sitz der Stadtverwaltung gegenüber vom Bahnhof. Auch nicht schlecht, aber geradezu dezent im Vergleich.
März 13th, 2011 at 02:40
mich turnt vorallem das erste Foto mit der Stadt im Sonnenaufgang an. Wie ich solche Morgen in grossen Staedten liebe! Fuer mich gibt es fast nichts romantischeres. Da muss man doch unbedingt raus auf die Strassen und den Menschen beim Aufwachen zuschauen! Ich muesste das zumindest…
März 13th, 2011 at 06:42
Ich finde, der Satz, den Sie übers Alleinereisen schreiben, gilt eigentlich auch fürs ganze Leben: “Trotz der vielen Leute, die man unterwegs trifft, bleibt man allein.” Letztlich hilft dagegen nicht mal eine Ehe. Aber natürlich ist es etwas anderes, wenn man seine Lieben um sich hat und zumindest die “größtmögliche Nähe” zu ihnen genießen kann, als wenn man, wie Sie, alleine um den Globus reist. Ich bewundere das sehr. Einen vergleichsweise kläglichen Versuch in dieser Richtung hab ich auch mal gemacht: alleine nach Italien. Nach dem ersten Abendessen, allein am Tisch in einem Speisesaal mit lauter Paaren und Familien, war ich mit den Nerven derart fertig, dass ich den Rest des Abends heulend im Hotelzimmer saß und die Minibar leeren musste, um mich wieder halbwegs zu beruhigen. Na, was soll’s, ich war halt nie eine mutige Frau, sondern immer schon eine Memme. Aber Ihre Reise hier mitzuverfolgen, das macht Spaß, wirklich! Deshalb an dieser Stelle mal ein dickes Dankeschön an Sie, Meike.
März 13th, 2011 at 08:28
Der open-air-Buchladen ist wahrscheinlich das “Haus” des Händlers. (Das Wort Bücherwand bekommt damit eine ganz neue Bedeutung)
So hat er ein Dach über dem Kopf und bewacht ist es nachts auch. Nur während der Regenzeit geht sein “Unternhmen” baden….. (schmunzel)
März 13th, 2011 at 08:30
Die Pinguine sind womöglich ein Geschenk von Linux…
März 13th, 2011 at 09:31
Hallo,
haben Sie schon überlegt, wohin Sie im April und Mai fahren?
Ich vermute, Tokyo und Schanghai fallen jetzt aus.
März 13th, 2011 at 09:53
Tokyo ja, aber wieso Shanghai? Ich jongliere gerade ein bisschen mit den Städten, kann sein, dass sich die Reihenfolge ändert und dass die eine oder andere Stadt dazukommt.
März 13th, 2011 at 10:25
Was das alleine reisen betrifft: Ich bin meistens alleine gereist, hier und da mal mit einem Boyfriend, aber das eher selten, frei nach dem Motto, ab zwei Personen fängt der Massentourismus an. Als Wassermann möchte ich unabhängig sein und mich nicht absprechen müssen. Leider bin ich da etwas extrem und werde im Laufe der Jahre immer extremer.
Einmal war ich mit einem männlichen “Anhängsel” zehn Tage in Rom, der Mann wollte alle zwei Stunden essen, wenn er nichts gefunden hat, ist er wie ein aufgescheuchtes Huhn herumgehopst und hat seine Chicken Sandwiches gesucht. Leider ist das eine der herausragenden Erinnerungen, die ich an diese Reise mit ihm hatte. Andererseits: Ich fotografiere viel, das erfordert genauso viel Geduld vom Mitreisenden.
Einmal vor über 30 Jahren habe ich während einer Irlandreise eine Australierin getroffen, die ihre zwei Kinder zuhause gelassen hatte, um ein Jahr durch Europa zu reisen. Sie war gerade an einem emotionalen Tiefpunkt und sagte zu dem Thema Reisefreundschaften: New friends are not substitute for old friends. Ist mir im Ohr geblieben, der Satz.
Seit ein paar Jahren reise ich mit meinem jetzt 13-jährigen Enkel, das ist überhaupt das Beste. Der Junge macht alles mit und ist sowas von neugierig auf die Welt, ich hatte nie zuvor so viel Spaß auf Reisen.
Um mal über das schöne Deutschland zu sprechen, durch ihn habe ich auch Hamburg liebengelernt, er wollte vor sechs Jahren mal ins Miniaturwunderland, seither fahren wir jedes Jahr zwei- oder dreimal nach Hamburg und entdecken Ihre Stadt.
Weiterhin für Sie viel Spaß auf der Reise, und ich freue mich, dass Sie bald Besuch von zuhause haben.
Marie aus München
März 13th, 2011 at 11:15
na, ja, die Entfernung Shanghai-Sendai ist etwa die gleiche wie München Tschernobyl…..wir wollen Sie schon gerne weitgehend unverstrahlt wieder zurück in Deutschland haben. Je nachdem woher der Wind pfeift in den nächsten Tagen, mag die Reiseroute im April/Mai dafür mehr oder weniger günstig sein und entsprechend variieren. Aber wohin Sie auch fahren, wir begleiten Sie auf dem Sofa…
März 13th, 2011 at 11:27
@toni..beim allein-reisen und vor allem abends allein im resto hilft es am anfang ganz gut, ein buch dabei zu haben, oder was zum schreiben…
März 13th, 2011 at 12:28
Wo fährst du eigentlich nächsten Monat hin? Nach Tokyo zu fahren, würde ich nicht sehr empfehlen.
März 13th, 2011 at 12:57
beim städte jonglieren, wenn es passt bitte london vorziehen. ich reise im juni hin und würde gerne VORHER hier ein paar schöne tipps lesen.
als ersatz für tokio würde ich ansonsten bangkok vorschlagen. auch ein moloch. aber ein herzerwärmender. (für mich jedenfalls)
wobei es nun direkt im anschluß vielleicht doch nicht das richtige wäre…
und in europa ist doch auch schön! sagte meine mama früher immer. inzwischen weiß ich, daß sie recht hat. lissabon, neapel, palermo z.b. finde ich großartig.
(wir hätten dann auch mal wieder mächtig schöne fotos in der “wasser”-spalte )
März 13th, 2011 at 20:23
Wunderbare Bilder! Zum Fernweh-Bekommen und Sich-Erinnern und Einlassen.