Stranger than fiction
Ich hätte ihn fast nicht erkannt. Nicht dass ihn schon jemals getroffen hätte, aber Terry Durack, mein Terry Durack war eine Tonne. Ein Drei-Zentner-Mann, ein Ich-bin-zwei-Olivenöltanks-Mann. Wie gesagt, ich hatte ihn noch nie gesehen, nur sein Autorenfoto in einem meiner liebsten Kochbücher, einer Ode an die Verfressenheit namens „Yum“, Untertitel: „A Voyage Around My Stomach“. Diese Reise wäre damals ein Tagestrip gewesen, heute ist es einmal kurz um den Block: Der Mann hat sich halbiert. Er sieht meinen Blick und sagt, ja, er habe ein bisschen abgenommen. Ein bisschen: von 160 auf 80 Kilo.
Ich hatte ihn zum Essen eingeladen, weil ich ihm eins schuldete, wie ich fand. Ich mochte „Yum“ so sehr, dass ich seinen Namen vor 11 Jahren für eine Romanfigur verwendete, einen fetten, genusssüchtigen, ganz und gar hinreißenden Wiener Kochbuchautor in „Auf und davon“. Er meldete sich sofort, fand’s gottlob lustig und nahm die Einladung an, „an offer I can’t refuse“. Und so trafen wir uns heute.
Er hatte das Universal vorgeschlagen: „Aufregende Küche, sehr gewürzbetont“ – schon gekauft. Terry ist Restaurantkritiker und Herausgeber von Sydneys alljährlich neu erscheinender Food-Bibel „Good Food Guide“, die hier soviel Gewicht wie der Gault Millau in Europa hat. Er ist nach acht Jahren Londoner Exil wieder nach Sydney zurückgekehrt, zusammen mit seiner Frau Jill Dupleix, die ebenfalls eine Food-Schreiberin ist und deren Bücher ich ebenfalls liebe. Es muss die perfekte Ehe sein: Seit 29 Jahren arbeiten sie den ganzen Tag Seite an Seite an ihren Büchern und Artikeln, jeder für sich. „Abends gucken wir uns an und fragen: Na, wie war dein Tag so, Liebling?“ Und dann kochen sie, mal er, mal sie. „Zu zwei Dritteln sie“, sagt er. „Vor allem, weil sie Spezialistin für die schnellen, leichten Gerichte ist. Ich dagegen koche erst mal eine Stunde lang einen Fond. Es dauert ewig, bis man bei mir was zu essen kriegt.“
Das Essen war köstlich. In jeder Hinsicht. Tolle Gerichte (ich lass’ es mal gut sein für heute mit der Beschreibung, ich rede hier ja nur noch vom Essen. Na schön, nur das oben rechts: Lakritzmousse mit Aperol-Gelee, karamelisiertem Fenchel und rosa Grapefruit), puppenlustiges Gespräch. Der Typ ist klasse. Zwar nur noch halbfett, dafür doppelkomisch. Später setzte sich noch die Chefin des Universal, Christine Manfield, zu uns. Stellt sich heraus: Erstens fliegt sie nächsten Monat nach Mumbai, um dort für ihr nächstes Kochbuch zu recherchieren, und klar hat sie tausend Tipps für mich dort. Und zweitens wohnen wir in derselben Straße. Im selben Haus. Im selben Stockwerk. Genau nebeneinander, sie Apartment 7C, ich 7B. Unfassbarer Zufall. Und schon habe ich ein Date für einen Feierabendwein.
Universal, Republic 2 Courtyard, Palmer Street (zwischen Burton und Liverpool Street), Darlinghurst, NSW 2010
Nachtrag: Kaum war ich zuhause, kam schon eine Mail von Christine mit zwölf Restauranttipps für Mumbai und einem Artikel, den sie mal über Buenos Aires geschrieben hat. Die Australier quatschen nicht nur, sie machen auch gleich. Man muss sie lieben.
Januar 21st, 2011 at 07:34
Nun rätsele ich hier rum, was mit dem Titel heute morgen gemeint ist – die spannende Begegnung mit dem halbierten Restaurantkritiker oder Christine Manfield in Verbindung mit Mumbai… Jedenfalls: genial!
Januar 21st, 2011 at 08:17
Lakritzmousse klingt aber wirklich aussergewöhnlich und auch ziemlich lecker.
Er kann dir in Mumbai bestimmt einen super wein Empfehlen.
Viel Spass
Jana
Januar 21st, 2011 at 09:26
Das hört sich alles supertoll an. Ich freue mich jeden Tag auf den neuen Eintrag. Ich tanke sozusagen
ein bisschen Sonne mit Ihnen und grüße aus dem weißen München
Januar 21st, 2011 at 10:00
Meine Güte, was für ein Zufall!! Vielleicht auch Schicksal?? Wie auch immer – ich stelle immer wieder fest, dass die Welt doch wirklich klein zu sein scheint!!
Schöne Grüße aus dem immer noch ziemlich grauen Osnabrück
Januar 21st, 2011 at 10:23
Das sind die “Zufälle”, die das Leben würzen. Ab und an tauchen auch in deinem Blog Menschen auf, die mein Leben schon gestreift hat und es reicht, um eine schöne Erinnerung und ein Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern. Danke, liebe Meike.
Belohnt bist du dafür ja schon reichlich: Sonne, so schöne Begegnungen und nun auch noch eine Buchverfilmung. Ich gratuliere von Herzen. Und bestelle jetzt mal dein Buch: Das klingt leicht und heiter. Genau das, was ich gerade brauche.
Januar 21st, 2011 at 13:14
Das hier entwickelt sich ja langsam zum Foodblog, wie gut für mich. Von Terry Durack erscheint 2011 noch ein neues Kochbuch: “1001 Foods to Die for”. Schade, dass er für den deutschen Kochbuchmarkt nicht übersetzt wurde (wird).
Januar 21st, 2011 at 21:12
Auf den ersten Blick sah es so aus als wuerde er dir ein Schmuckstueck kredenzen und nicht als wuerde er das Tortenstueck mit dem Handy abfotografieren. Hab ich wohl zu viele Chick-Flicks (‘tschuldigung, wollte ja Schnulzen sagen) geguckt. Ich koennte, glaub ich, ein bisschen weniger neidisch auf deine Reiseeskapaden sein, wenn ich auch jeden Tag so leckeres Zeug essen koennte…
Januar 22nd, 2011 at 11:28
die welt ist eine erbse – diese zufälle sind immer wieder wunderbar. und machen es wieder ein stück lebenswerter. den tag und das drumrum. vielen dank für diesen schönen blog!