Such a perfect day

Den Wecker auf 6 Uhr gestellt. Um 6.30 Uhr allen Ernstes aufgestanden. Um 7 Uhr losgefahren. Um 7.15 Uhr losgegangen. Um 8 Uhr auf dem Gipfel des Diamond Head gestanden. Mich um 8.02 Uhr gefragt, warum ich drei Wochen gebraucht habe, um mich endlich dazu aufzuraffen.

Der Diamond Head, das Wahrzeichen von Honolulu, ist ein Vulkankrater direkt neben Waikiki, ich sehe ihn von meinem Balkon aus. Auf hawaiianisch heißt er Le’ahi, die Braue des Tunfisches. (Was merkwürdig ist, da der Tunfisch einer der wenigen heimischen Fische ohne jegliche Brauen ist, im Gegensatz zum Mahi-mahi oder zum parrotfish. Aber okay, ich werde mich nicht mit Hawaiianern streiten.) Den Aufstieg schafft man in gut 30 Minuten, oben wird man mit einer anständigen steifen Brise belohnt (als Norddeutsche stehe ich auf so was) und einem ebenso umwerfenden Blick über Waikiki und Weialae.

9 Uhr, zweite Station: der Wochenmarkt gleich am Fuß des Diamond Head. Man hatte mir vorher geraten, unbedingt ungefrühstückt dorthin zu gehen. Ein guter Rat, denn: frischer Ananassaft, dazu Leinsamen-Karotten-Ananas-Hafer-Muffins, gefolgt von einem Ingwer-Minz-Serranochili-Limonen-Drink, dann zwei gegrillte Abalonen (für die ich in China das Zehnfache gezahlt hätte… okay: habe) – und das war nur der erste Gang. Man möchte auf Knien über diese Markt robben, denn erst hier wird einem klar, was für ein gesegnetes Land Hawaii ist: frische Shrimps aus Kauai, Kaffee aus Kona, Muskatnüsse (unten rechts) und Vanilleschoten aus Paauilo, fünf Jahre in der Wabe gereifter Honig von Wildbienen, Hawaiian Red Veal (Fleisch von Kälbern, die schon ein bisschen auf die Wiese durften), die ersten heimischen Mango und natürlich Ananas und Papaya bis zum Abwinken. Jetzt noch eine frische junge Kokosnuss zum Dessert und vielleicht noch selbstgebackenen Pecan Crunch? Ein Ono Pop-Eis in der Geschmacksrichtung Surinamkirsche-Nelke oder Orange-Zimt oder Kalamansi-Koriander oder Feige-Feta-Honig oder… bringt mir hier raus.

Saturday Farmer’s Market, Kapiolani Community College, 4303 Diamond Head Road, Honolulu. Jeden Samstag von 7.30 Uhr bis 11 Uhr

In Honolulu steht der einzige Königspalast der USA. (Herr Jauch, das wär‘ was für 125.000.) Der Iolani Palace – von einer Größe, die in Europa gerade mal für einen unteren Grafen gereicht hätte – wurde 1879 vom letzten König Kalakaua gebaut. Zu diesem Zeitpunkt regierte er nur noch über 39.000 Untertanen. Als Captain Cook die Inseln gut 100 Jahre zuvor „entdeckt“ hatte (sie waren ja schon immer da), lebten auf Hawaii zwischen 400.000 und einer Million Menschen. Die Engländer und nach ihnen die Amerikaner schleppten Masern, Grippe, Geschlechtskrankheiten ein und damit das Todesurteil für die Inselbewohner. Selbst gegen einfache Erkältungen hatten sie keine Abwehrkräfte, sie starben zu Tausenden.

Kalakaua, the merrie monarch, muss ein sehr aufgeschlossener, unternehmungslustiger König gewesen sein. Als erster Herrscher der Welt segelte er einmal um die Erde. In New York besuchte er Thomas Alva Edison und ließ als einer der ersten seinen Palast mit Telefon und Glühbirnen ausstatten. (Sehr nützlich, denn so konnte er den Haushofmeister im Keller anrufen, der das Licht im ganzen Palast zentral an- und ausschaltete. Lichtschalter gab es nicht in den Räumen.) Als er 1891 starb – ironischerweise im Palace Hotel, San Francisco –, beerbte ihn seine Schwester Lili’uokalani, die letzte Regentin Hawaiis. 1893 wurde sie von einer Vereinigung amerikanischer Zuckerplantagenbesitzer abgesetzt, 1895 wurde die Republik Hawaii ausgerufen, 1898 wurde sie von den USA annektiert. Königin Lili’uokalani wurde im Palast eingekerkert und verlegte sich aufs Handarbeiten und Komponieren. Beides sehr erfolgreich: Sie schrieb unter anderem den Welthit Aloha Oe. 1993 unterschrieb der damalige US-Präsident Bill Clinton eine Resolution, in der sich Senat und Abgeordnetenhaus 100 Jahre nach dem Putsch offiziell für die amerikanische Beteiligung an dem Staatsstreich entschuldigten.

Der Palast wirkt auf herzzerreißende Weise wie gerupft. Möbel und Ausstattung sind in alle Winde verstreut, auf irgendwelchen Auktionen versteigert worden. Hin und wieder taucht noch mal ein Stück des Original-Interieurs auf – in Australien, in Iowa, neulich wurde sogar ein alter Sessel an der Küste angeschwemmt –, es wird weltweit danach gefahndet.

Iolani Palace, 364 South King Street, Honolulu. Führungen Di und Do viertelstündlich 9 bis 10 Uhr, Mi, Fr und Sa 9 bis 11.15 Uhr

Ein Kapitel in der traurigen Geschichte des hawaiianischen Königshauses spielt an meinem nächsten Ziel und vorläufigen Lieblingsort der Insel, Queen Emma’s Summer Palace. Klingt formidabel, aber ich bin zweimal daran vorbeigefahren, bis ich dann doch die enge Aufffahrt gefunden habe, die zu einem wundersamen kleinen Häuschen führt:

Auf dem Parkplatz standen gerade mal vier Autos, eine freundliche ältere Dame machte gleichzeitig Kasse und Führung. Königin Emma – Emma Kalanikaumakaamano Kaleleonālani Naʻea Rooke, soviel Zeit muss sein –, die Ehefrau von König Kamehameha IV., zog sich hierher nach dem Tod ihres Sohnes und ihres Mannes zurück. Sie legte sogar ihr Schlafzimmer näher an das Küchengebäude heran, um sich nicht so allein zu fühlen. In den Schaukästen, an den Wänden dieses von milden Lüften durchwehten Hauses: europäisches Silberbesteck, Federschmuck der hawaiianischen Häuptlinge – und Zeichnungen des mit vier Jahren gestorbenen Prinzen Albert, der lieber Feuerwehrmann als König werden wollte. Ein Foto zeigt ihn in der roten Uniform der Feuerwehr von Honolulu. Es bricht einem das Herz.

Wie immer war das Fotografieren der Innenräume leider verboten, aber hier kann man einige Bilder sehen: Queen Emma’s Summer Palace, 2931 Pali Highway, täglich von 9 bis 16 Uhr geöffnet.

Weiter: den Pali Highway hinaus zum Pali Lookout. Landschaft angeguckt. Luft angehalten.

Dann: die Schnapsidee gehabt, mir Piraten der Karibik IV anzugucken. Dabei habe ich schon Teil II und III gehasst. (Irgendein Rezensent schrieb so richtig: Man fand’s mal besser, als man dachte, dass Captain Jack Sparrow schwul sei.) Teil IV ist hier auf Oahu gedreht worden, es war also… Recherche. Bin bei circa Minute 27 eingeschlafen und bei Minute 78 wieder aufgewacht. Der Film dauerte dann leider noch bis Minute 141. Aber Hawaii sah hübsch aus.

Danach: nach Hause gefahren. Vor dem Haus ein paar Frangipani-Blüten aufgelesen. Das Zeug liegt hier einfach so auf der Straße, das fällt von den Bäumen. Es ist so unfassbar ungerecht.

Dann habe ich mich endlich wieder hingelegt. Es war kurz nach 16 Uhr. Perfect day.

17 Antworten to “Such a perfect day”

  1. Dievommond Says:

    ich habe am Fuss des Vulkans gewohnt, bin aber leider nicht raufgestiegen. Dafuer aber auf einen anderen Berg mehr in der Mitte der Insel.

    Wir hatten dort ein Auto, d e s w e g e n…

    Ein reichhaltiger und wie es scheint sehr gelungener Tag und ein ebenso reichhaltiger Blog! Danke Dir!

    Hier regnets und ich habe heute meinen letzten freien Montag….lieber Gruss!

  2. Detlef Guertler Says:

    An dem gleichen Samstag, den du hier beschreibst, habe ich mich nach Lektüre deiner “stabilen Rückenlage” entschlossen, einen Tag lang mitentspannt zu sein. Ich war es in Berlin, und ich kann nicht so schreiben wie du, aber es fühlte sich so ähnlich an wie dein Samstag.
    Ach ja: Am Morgen hatte mir ein Facefreund ein Lied für den Tag mitgegeben: Perfect Day von Lou Reed. http://www.youtube.com/watch?v=j2JXy1Z9ovs&feature=related

  3. waldviertelleben Says:

    es ist zwar traurig, dass sie von hawaii so wenig schreiben – aber von mir aus könnten sie noch lange auf der insel bleiben – so sehr mag ich ihre berichte von dort.

  4. Alicia Says:

    Und, wie haben die Abalonen geschmeckt? Aus Neugier habe ich die gleich gegooglt, hab die noch niiie gegessen!

  5. meike Says:

    @Detlef: Es ist zu unglaublich – noch bevor ich Deinen Kommentar gelesen habe, habe ich genau das (allerdings in einer anderen Version) nachträglich im letzten Satz verlinkt. Synchronicity.
    @Alicia: wie Hühnchen… just kidding. Zart, ohne viel Eigengeschmack. Bisschen wie Jakobsmuscheln, aber zäher.

  6. Uschi aus Aachen Says:

    Hier im benachbarten Belgien werden süße Sachen oft mit “Franchipan” statt mit Marzipan gebacken – ob da irgendein Zusammenhang zu Frangipani besteht? Wunderschön jedenfalls die geometrische Perfektion dieser Blüten…

  7. Sonja Says:

    Hach, Meike, jetzt wo ich “Perfect Day” gehört habe, bin ich für den ganzen Tag mit guter, relaxter Laune ausgestattet. Danke!
    Dass Muskatnüsse SO aussehen, war mir als deutscher Supermarkteinkäuferin ja auch noch nicht klar!
    Und ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis der Königspalast bei der 125.000-Frage auftaucht! ;-)
    Viel viel Spaß noch!

  8. Jule Says:

    ich liebe Frangipanis!!!! Versuche meinen immer noch zum Blühen zu bringen, bisher erfolglos, dafür kommen jetzt überall schöne neue grüne Blätter… vielleicht klappt es diesmal!!

    Der Duft dieses Baumes ist einfach sagenhaft!!

    und danke für die tollen Bilder!!!

  9. Bettina Says:

    Gestern kam mein Mann nach f ü n f Wochen komplett “polynesian paralyzed” ( so nannte es mal eine Freundin die auf Maui lebt, wenn man in eine wunderschöne Langsamkeit und Faulheit eintaucht ) aus Maui zurück. Ich hoffe, die Stimmung überträgt sich ein wenig auf den Rest der Familie, der wie so oft von Alltagskram gestresst ist.
    Auf Maui gibt es übrigens die King Kamehameha School, in Frankfurt den King Kamehameha Club, auch KingKA genannt. Irgendein Besitzer muß wohl mal auf den Sandwich Inseln Urlaub gemacht haben.
    Aloha aus dem sonnigen Frankfurt

  10. Barbara Says:

    Liebe Meike,

    Du schaffst es, dass sich ein Montagmorgen nicht wie Montag anfühlt. DANKE!

    Barbara

  11. Pia Says:

    hätte nie gedacht, dass ich jemals nach Hawaii möchte. Jetzt schon! Danke.

  12. Christian Says:

    … und mir knurrt der Magen nach dem Teil ueber den Markt.
    Und muss jetzt in eine Kantine. Das Leben ist unfair.
    Viel Spass noch und bon appetit!!!!

  13. Miriam Says:

    Danke für den schönen Blog. Nur um ein Beispiel zu geben, wie weit weg Ihre Welt von hier aus ist: als Mutter in Berlin habe ich zuerst die Muskatnüsse für Fahrradhelme gehalten…

  14. For 91 Days Travel Blog Says:

    Wenn sich doch diese Essenskultur auch auf den Rest der USA ausbreiten könnte! Herzlichen Glückwunsch zu dem gelungenen Tag.

    Wir habe hier in Bolivian zum ersten mal die Chirimoya Frucht probiert (siehe unseren letzten Artikel) und eine Leserin meinte, daß diese auch auf Hawaii wachsen. Aber wie ich Dich kenne bist Du schon ein großer Chirimoya Fan :)

  15. Fabienne Says:

    ooh wie gern wäre ich auf dem Markt gewesen und hätte all die köstlichen Sachen gegessen!

  16. Christian Says:

    Habe heute im Radio erstmals von Deinem Blog und Deinem jetzigen Aufenhalt gehört und gleich mal reingeschaut. Gibt es den “Hang Loose-Gruß” (Handwackeln mit ausgestrecktem Daumen+kl.Finger) noch? Der kommt Deinem aktuellen Lebensgefühl scheinbar sehr nahe. Versuch dieses so lange wie möglich zu konservieren.
    Habe heute auch an mein Versprechen meiner Frau gegenüber denken müssen, zur silbernen Hochzeit (Aug.2011) im Coco Palms – Hotel auf Kauai relaxen zu wollen. Leider hat dies 1992 ein Hurrikan zerstört. So wird`s wohl nix werden, und unsere Mädels wollen ja auch studieren können. Aber die Erinnerungen an unsere nachgeholte Hochzeitsreise 1990 sind dank Dir wieder hellwach.

  17. Vor mir die Welt… » On top of it Says:

    [...] Fäden, die zwischen den Orten gesponnen sind, aber wenn mir Leitmotive wie Feuerwehr (neulich in Hawaii, letzte Woche hier in SF) oder Francis Ford Coppola hartnäckig immer wieder begegnen, dann [...]