Dienstleistungsgesellschaft
Schon in Indien war auffällig, dass man ständig per Formular gefragt wird – von Restaurants, Hotels, Reiseführern, Fahrern –, wie man das alles so fand, was einem geboten wurde. Interessant aber die Unterschiede: In Indien lauteten die Ankreuzmöglichkeiten in der Regel „hat die Erwartungen bei weitem übertroffen“, „hat die Erwartungen erfüllt“, „wurde den Erwartungen nicht gerecht“. In China hingegen: „gut“, „ganz anständig/ausreichend” („fair“ fair übersetzt, isabo?), „schlecht“. Mit anderen Worten: deutlich defätistischer. Begeisterung ist gar nicht vorgesehen, dafür muss extra ein Kästchen geschaffen werden.
Wie zum Beispiel im Fall von Din Tai Fung. Das ist eine ursprünglich taiwanesische Restaurantkette mit Schwerpunkt auf xiao long bao, den chinesischen Knödeln, denen schon das Wort Knödel nicht gerecht wird. (Und das Foto links erst recht nicht.) Der Rest von China macht sich immer über Shanghai lustig, weil hier angeblich so kleine Portionen serviert werden. Und tatsächlich, die xiao long bao sind vergleichsweise winzig. Dafür aber auch vergleichsweise sensationell.
Eine kurze Einführung in die Knödelkunst von Shanghai (wir kommen nämlich bestimmt noch darauf zurück). Xiao long bao werden im Bambuskorb gedämpft. Eigentlich sind es Beutel aus dünnem Nudelteig, oben in 14 Falten zusammengerafft, wenn sie gut sind (mehr Falten = feinerer Teig) und meist mit Schweinefleisch gefüllt, bei Din Tai Fung aber auch gern mal mit Taschenkrebs oder Huhn & Trüffel. Diese Füllung schwappt in einem Hauch köstlicher Brühe – doch wie kommt die in den Knödel hinein? Indem ein Scheiblein Aspik mit der Füllung in den Teig gegeben wird und sich beim Dämpfen verflüssigt. Man isst das Ganze, indem man dem Knödel, mit Stäbchen ergriffen, vorsichtig den Kopf abbeißt, die Brühe herausschlürft, den Rest in eine Mischung aus schwarzem Reisessig, Sojasauce und gehobeltem Ingwer taucht und augenblicklich ohnmächtig wird vor Entzücken. In fast allen Chinarestaurants zuhause werden xiao long bao auf Pergamentpapier gedämpft serviert. Ergebnis: beim Herausheben mit Stäbchen bleibt der Teig kleben, der Knödel reißt und die Suppe geht perdu. Din Tai Fung dämpft auf Baumwollstoff, und der Knödel löst sich sanft mit nur minimalem, geradezu anmutigem Widerstand.
Zum Service: Hängt man wie ich nachlässig seine Jacke über die Stuhllehne, eilt sofort jemand herbei, um ein Stuhllehnencover über die Jacke zu breiten, auf dass man sie nicht verknicken oder beschmutzen möge (siehe links). Zahlt man die Rechnung (die in diesem Fall inklusive Tsingtao-Bier und einer köstlichen Bohnen-Vorspeise 90 RMB betrug, faire neun Euro) mit einem 100 RMB-Schein, kommt jemand, quittiert auf der Rechnung 100 RMB, damit auch ja alles mit rechten Dingen zugeht, bevor das Wechselgeld kommt, und stellt zur Sicherheit auch noch ein Schild auf den Tisch, dass man doch bitte seine Habseligkeiten nicht vergessen möge. Es kann sein, dass mir das nach einigen Wochen als fürsorgliche Belagerung auf den Geist geht, aber zurzeit finde ich es herrlich.
Din Tai Fung, mehrere Locations, hier: Shanghai Centre, 1376 Nanjing West Rd., Shanghai
Ebenso herrlich übrigens wie meinen zweiten Besuch im göttlichen Dragonfly, schon wieder für eine chinesische und eine Fußmassage, dieses Mal verbunden mit einer Pediküre. (Ja, ich weiß, ich hatte erst in Indien eine. Ja, ich weiß, das wirkt etwas fetischistisch. Sei’s drum, meine Füße haben es nach einem Monat Barfußlaufen im Dreck verdient.) Der Augenblick, in dem das Lackmenü mit einer Fantastillion OPI-Optionen (meiner Lieblings-Nagellackmarke) auf meinen Schoß ausgebreitet wurde – links nur eine von vier Doppelseiten –, gehört, ich gestehe es beschämt, zu den glücklichsten der letzten Wochen. Für andere OPI-Fans: Dieses Mal wurde es „Mrs. O’Leary’s BBQ“, weil meine ewige Lieblingsfarbe „I’m not really a waitress“ gerade aus war. Länger nachgedacht habe ich über „Bastille my heart“ und „No Spain no gain“. Irgendwann werde ich übrigens eine längere Abhandlung über Nagellacknamen schreiben. Heute bin ich zu satt und zu glücklich dazu.
April 6th, 2011 at 16:24
Klingt alles wunderbar! Mitfreude! Aber — was um HimmelsWillen war da denn noch in den Knödels ??
April 6th, 2011 at 16:27
Lovely.
Alles.
April 6th, 2011 at 16:30
*nickt huldvoll*
April 6th, 2011 at 16:30
Und: ja, klingt wundervoll. Alles.
April 6th, 2011 at 16:30
Bastille my heart ist genehmigt, wobei Diva of Geneva oder aber auch Lincoln park at midnight – na ja vielleicht ne Spur zu dunkel – Chick flick cherry das ist die ultimative Farbe … oder doch lieber …
Ist ja genial dies Auswahl und diese NAMEN!!!
Was ist es denn geworden?
Herzlichst!
Franka
April 6th, 2011 at 16:30
Und Dein Blog sagt mir: “Du kommentierst zu schnell. Immer locker bleiben.” Hihi.
April 6th, 2011 at 16:33
Himmlisch. Alles.
April 6th, 2011 at 16:33
@Vita: In den Knödeln nix, aber im Zahnputzglas hier neben meinem Laptop war Shiraz. Gleich zweimal, komisch.
@Isabo: Mein Blog sagt „Locker bleiben“? Habe ich ihm das erlaubt?
April 6th, 2011 at 16:39
Vielleicht kannst Du es in “ey, chill mal” ändern?
April 6th, 2011 at 17:03
Vielen tausend Dank, das ich jeden Tag so schöne Geschichten rund um den Erdball miterleben darf. Jeden Tag gucke ich mehrfach was heute erlebt wurde. Ich fürchte mich schon manchmal vor dem Ende. Bestimmt wird es ein Gefühl, als wenn man eine gute Freundin verliert..
Tausend Dank!!
April 6th, 2011 at 17:13
Ich danke wieder mal für die so schön und lächelnd zu lesenden Zeilen und ich frage mich ernsthaft, warum mir das mit den vielen Nackellackfarben und den Namen bisher entgangen ist???? Ich muss da mal ernsthaft drüber nachdenken;-) und danke dir sehr für diese Bereicherung:-)! Vielen Dank und viele Grüße Sandra
April 6th, 2011 at 17:29
OPI wunderland – neben all den kulinarischen überraschungen ein el dorado! “ich kann mich gar nicht entscheiden, es ist alles so schön bunt hier!
April 6th, 2011 at 17:59
Für die Abhandlung über Nagellacknamen möchte ich schon heute darum betteln, per Mail benachrichtigt zu werden, wenn und wo sie dann erscheint…
April 6th, 2011 at 18:12
Oh OPI, sie sind mir sofort noch sympathischer.
Das Essen klingt äußerst lecker, bis jetzt scheint es ja gut zu laufen in Shanghai.
April 6th, 2011 at 18:52
Ich hab noch nie einen Lack von OPI gekauft. Aber bei jedem Besuch im einschlägigen Kaufhaus lese ich die Namen und habe meinen Spaß.
Was kostet denn die Pediküre, wenn relativ teurer Lack verwendet wird?
April 6th, 2011 at 19:39
Mann bin ich froh, dass du dein Indientrauma überwunden hast! (Entschuldigung fürs Duzen! Aber irgendwie kommts mir so vor als ob ich dich allein durchs Lesen deines Blogs persönlich kennen würde. Das nächste mal wieder Sie, aber ich tippe grad auf meinem Handy und bin zu faul zum ändern!) bei mir heute: “Hearts and Tarts”! Viele Grüße aus München! Ihre (formhalber nun richtig!) Katja
April 6th, 2011 at 20:38
Der Abhandlung über Nagellacknamen fiebere ich extremst entgegen.
Die Nudel – und Knödelthemen sind fein.
Gruß aus dem verregneten, aber exotischen HH.
April 6th, 2011 at 20:43
Also Reisen bildet. Habe noch nie von diesem Nagellack gehört, aber da am Wochenende ein Geburtstagsgeschenk ansteht für ein 14-jähriges Mädchen und sie sich auf Nachfrage einen blauen Nagellack gewünscht hat, weiß ich jetzt, was ich kaufe. Es muss nur noch eruiert werden, ob er Glitter enthalten soll. Habe gegoogelt, es gibt ja Hunderte. Freue mich über diese Bewusstseinserweiterung. Kann jemand mir einen Tipp geben über eine schöne blaue Farbe? Und die gibt’s tatsächlich in Kaufhäusern hier?
April 6th, 2011 at 22:15
Eigentlich sollten derzeit doch nur folgende OPI’s zum Einsatz kommen:
- Let me entertain you!
- Red my fortune cookie
- Suzi says Feng Shui
und natürlich…
- Dim Sum Plum
Und DANKE für diese wunderbaren Texte
April 6th, 2011 at 22:20
Suzi says Feng Shui bestellt, tolle Farbe für ein junges Mädchen.
April 7th, 2011 at 00:14
Mrs O Leary’s BBQ ist auch Dauergast in meiner Nagelschatulle (gibt’s aber scheinbar nicht mehr). Bin aber nach einem Jahrzehnt OPI-Fandoms neulich (also heute in der Mittagspause) mal versuchsweise auf Essie umgestiegen. Nur um mal zu gucken, ob es doch noch irgendeine Nagellacksorte gibt, die auf meinen Fingern laenger als 3 Stunden haelt. OPI haelt zwar super auf den Zehennaegeln, aber auf den Fingernaegeln – keine Chance. Du siehst, mein Leben, ein einziger Krimi.
April 7th, 2011 at 03:11
liebe Meike, Du bist wirklich unglaublich! Wie hast Du denn dieses tolle Xiao Long Bao Restaurant gefunden und auch noch solche Details erfahren?
ich bin voller Bewunderung!
April 7th, 2011 at 04:15
@Ute: Eine Pedi bei Dragonfly, also schon eine etwas teurere, kostet mit allem Drum und Dran ca. 16 Euro.
@Marie: OPI gibt es auch bei Ludwig Beck, glaube ich. Lohnt sich übrigens, die Lacke anzuschauen, die Farben auf der Website täuschen immer ziemlich. Mein Liebling „I’m not really a waitress“ zum Beispiel ist in Wahrheit ein sattes Dunkelrot, nicht so telekomfarben wie im Netz. „Suzi says Feng Shui“ und „Yoga-Ta Get this Blue!“ (aus der – räusper – Indien-Kollektion) sind toll für eine 14jährige.
@Heidi: Ich lasse immer nur die Füße anpinseln, aber auch da ist Essie super. „Ballet Slippers”, perfekt für die Bank. Gott, ich komme mir gerade so girlie vor…
April 7th, 2011 at 06:29
Ich nehme an, dass alle Kommentare in Deutsch verfasst wurden. Aber warum verstehe ich dann beim Thema Nagellack nicht ein Wort?
April 7th, 2011 at 06:29
Ich will dahin!!!!!!!!!!!!!!
April 7th, 2011 at 06:30
Danke für diesen wunderbaren Blog! Voller Spannung schaue ich jeden Tag, was Sie tolles und spannendes erlebt haben. Der heutige Beitrag über die OPI-Nagellack-Welt und -Vielfalt ist einfach köstlich! Die gute Laune, die mir das Lesen bereitet hat, wird mich den ganzen Tag begleiten. Danke, liebe Frau Winnemuth!
April 7th, 2011 at 06:39
@Arne: vielleicht falsches Geschlecht? Sorry, wir reißen uns gleich wieder zusammen, wenn wir dieses Nagellack-Thema vom Hof haben, versprochen.
April 7th, 2011 at 07:00
Eine Frage, die nichts mit Nagellack zu tun hat: ist das kunstvoll aufgetürmte Etwas in dem Soßentellerchen neben den Knödeln Ingwer?? Sieht ja absolut heiß aus!
April 7th, 2011 at 07:13
@Sonja: ja, richtig gedeutet. Frisch geraspelter Ingwer.
April 7th, 2011 at 07:22
Danke für die Info, wollte sowieso schon lange mal wieder bei Ludwig Beck vorbei, danach beim Schlemmermeier eine Rote mit viel Senf, dann ein bißchen am Viktualienmarkt bummeln, dann als Dessert im Café Frischhut ein oder zwei heiße Schmalznudeln verdrücken, die fettigen Finger leider nicht abschlecken, sondern an der Serviette abwischen, und eine schöne große Tasse Milchkaffee dazu. Wenn die Sonne scheint ist München wirklich schön. Gilt wahrscheinlich für alle anderen Städte auch, diese wahnsinnige Einsicht.
Jetzt muss ich auch noch was loswerden, was die vielen guten Worte für Sie hier betrifft. Dieser Blog ist wirklich inspirierend, es stimmt, dass man eine andere Laune hat, wenn man ein- oder zweimal am Tag reinschaut und sich mitfreuen kann oder auch über Ihre unschönen Erlebnisse nachdenken kann. Ich lerne jeden Tag. Das ist wahnsinnig schön. Bin zwar auch die meiste Zeit meines Lebens am liebsten alleine gereist, aber ich weiß nicht, ob ich mich diese zwölf Städte in dieser Auswahl getraut hätte. Möglicherweise ist man in der Stadt sicherer, als in ländlichen Gegenden, und Sie haben ja von Zeit zu Zeit Company und lernen sicher immer jemanden kennen, mit dem Sie eine kurze Zeit verbringen können, sich unterhalten und sich Ihrerseits inspirieren lassen. Als junges Mädchen bin ich nachts durch Großbritannien per Anhalter gefahren, wahnsinnig, und heute würde ich mich nicht alleine nach Indien trauen. Sie bringen mich zum Nachdenken.
Ich glaube, es ist eine alte chinesische Weisheit, dass eine große Reise mit dem ersten Schritt beginnt. Den muss man halt sich zu machen getrauen.
Danke von Herzen, dass Sie nicht auf einem Egotrip reisen, sondern alles mitteilen und unter die interessierten Leser bringen wollen.
Nun gibt es unter Journalisten viele Zwillinge, wie ich mal festgestellt habe, z.B.
PS, dem Sie eine Haarspange geschenkt haben, oder die Chefredakteurin des in München ansässigen People-Magazins, um nur zwei zu nennen, und die sind einfach die geborenen Entdecker.
April 7th, 2011 at 08:30
was für eine freude zu lesen:o)
da bekommt man so richtig hunger..und lust auf nagellack..
und die angst, die sandra hat.. das geht mir auch so.. deshalb wieder und wieder die anregung, dass nächstes jahr wieder was neues blogmäßiges für uns passiert:o)
aber ich bin sicher, da wird was folgen!
lieben gruß
nico
April 7th, 2011 at 08:40
….wenn überhaupt ´nen Blog dann dieser! Freue mich täglich darauf!
Und wie sich die Zeiten doch sehr sehr geändert haben!
1988 war ich in Shanghai, und sonstwo in China: ob einem was gefällt oder schmeckt fragte keiner. In den Hotel gabs auf jedem Flur einen weiblichen “Zerberus” auf einer Art Thron, der aufpasste. Auf was ist mir nie klar geworden. In den Zimmern gab es auf Häkelteppichen monströse pink- oder türkisfarbene Kühlschränke. Der chinesische Reisebegleiter sang fehlerfrei “In einem Polenstädtchen…”, und zwar zwölf Strophen. Und auf jede Rechnung, auch aus elektronischen Kassen, kam mindestens ein roter Steinstempel—-gibt´s das noch?
In Gedanken nicht nur in Shanghai liebend gerne dabei Almuth
April 7th, 2011 at 08:42
Und auch Danke an alle, die ihre Kommentare und Erlebnisse schreiben.
April 7th, 2011 at 09:44
shanghai ist soeben auf meiner liste um einige plätze nach oben gerutscht !!
April 7th, 2011 at 12:08
@Alle: Dem Dank von Marie schieße ich mich von ganzem Herzen an. Ich profitiere ungeheuer von den Kommentaren. Häufig erhalte Antworten auf meine eigenen Fragen, gelegentlich eine andere Sicht der Dinge serviert – und oft genug Ermunterung und Unterstützung, wenn ich sie gerade mal wieder dringend brauche. Ich bin nicht zuletzt deshalb heil durch Indien gekommen, weil ich mich hier ausheulen konnte. Danke dafür!
April 8th, 2011 at 10:01
Für Füße auch immer gut: The Thrill of Brazil
April 9th, 2011 at 12:36
Ich muss es jetzt auch mal loswerden: Ich liebe Ihren Blog! Wenn ich schön gerade nicht dazukomme, außerhalb von Deutschland zu reisen, so kann ich doch zumindest in Gedanken Ihre Reisen begleiten. Ihr Blog ist aufhellend und mir immer wieder eine Freude. So spannend alles!! Ich möchte außerdem auch gerne so einen Knödel essen. Jetzt sofort!
April 10th, 2011 at 18:40
Was wäre das ein Spaß, wenn sich alle Kommentatorinnen (ja, nur wir Mädels) mit Meike zur Pedi-Party treffen würden, um nach einigen Gläsern Sekt über die schönste OPI-Farbe und die mit dem lustigsten Namen abzustimmen
April 15th, 2011 at 13:41
Bin ein bisschen spät mit meinem Kommentar, aber vielleicht liests ja doch einer.
die OPI Nagellacknamen find ich auch super! Das wäre doch ein Traumberuf: Nagellacknamenerfinderin!
Dazu aus gegebenem Anlass noch dieser link:
http://www.butterlondon.com/news/introducing-no-more-waity-katie
Auch ein schöner Name oder?