War ja klar

Montag, 17. Oktober 2011

Schild gesehen, abgebogen, klar. Brunnen: ausgetrocknet. Mist. Aber die Bäume sehen echt frisch aus.

Schade auch

Samstag, 15. Oktober 2011

Schon um acht war ich an der Grenze zu Jordanien, da macht sie nämlich auf am Sabbat. Und wurde sofort angehalten. „Ist das Ihr Wagen?“ – „Nein, ein Mietwagen.“ – Damit dürfen Sie nicht rüberfahren.“ – „Aber man hat mir gesagt, es gebe keine Probleme in Jordanien mit israelischen Mietwagen.“ – „Doch. Sie müssen eine Bestätigung des Verleihers vorweisen, dass es okay ist.“

Anruf beim Verleiher: niemand da, Sabbat. Den Presseausweis wollte ich nicht zücken, dann hätte es vermutlich eher noch mehr Probleme gegeben. Also: kein Petra. Umkehren. Strandtag. Mist. Dabei hatte ich mich extra mit Sean Connery verabredet:

Mutter bei die Fische

Freitag, 14. Oktober 2011

Guten Abend. Ich bin jetzt eine PADI-zertifizierte Sporttaucherin. Und wie war Ihre Woche so?

Eigenwerbung

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Morgen: Ein SZ-Magazin-Frauenheft, Thema „Auf der Suche nach dem guten Leben“ (wieso das jetzt nur ein Frauenthema sein soll… aber lassen wir das). Dazu ist mir natürlich auch was eingefallen.

Tief gesunken

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Tag 3 des Open Water Course, und es wird von Tag zu Tag besser. Inzwischen schraube ich mein Tauchzeug fast blind zusammen und habe unter Wasser im Griff, wann ich mein Jacket aufpumpen oder leeren muss, um die Tiefe (heute 12 Meter) zu erreichen, oder wann ein Druckausgleich fällig ist. Es ist wie Autofahren lernen: Anfangs konzentriert man sich verbissen auf das Schalten, das rumpelige Spiel zwischen Gas und Kupplung, später automatisiert sich das völlig und man kann die schöne Landschaft genießen. Heute hatte ich da unten zum ersten Mal dieses völlig entspannte Gefühl von: Hier gehöre ich her. Was, schon wieder auftauchen? Waren doch erst 55 Minuten!

Eilat ist ohnehin am schönsten unter Wasser. Es ist der klassischen Bettenburg-Urlaubsort mit allen einschlägigen Schrecklichkeiten – für die ich allerdings eine geheime Schwäche habe, muss ich gestehen. Ich mag das irgendwie, diese kreischige Kanonade aus Ballontieren, Neonshorts, Namensarmbändern, Muschellampen, perlenbestickten Chiffonhemden, Strandbars, Eisbuden, Shawarma-Ständen. Diese trotzige Ferienseligkeit, und das bei der Location: genau gegenüber Jordanien, dahinten rechts Saudi-Arabien, die Straße runter Ägypten – die alten Feinde gucken den israelischen Familien direkt in die Badetaschen.

Nemo: gefunden

Dienstag, 11. Oktober 2011

Mein verdammtes Glück mal wieder: Wir wären eigentlich zu dritt gewesen im Tauchkurs, aber am Vorabend haben die anderen beiden kurzfristig abgesagt. Also habe ich Einzelunterricht bei David. Und er schmeißt mich fast sofort ins warme Wasser. Erst zwei Stunden Theorie: Auftrieb, Überdruck, Druckausgleich – bäh, Physik. Aber lebensnotwendige Physik, also passe ich auf. Dann packen wir die Ausrüstung, ich quäle mich in eine Neoprenpelle, wir fahren ans Meer. Kein Schwimmbadtraining, wozu auch? Der beste Pool ist das Rote Meer.

Ich schätze, dass jeder etwas hysterisch wird, der zum ersten Mal die Erfahrung macht, unter Wasser zu atmen. Ich wurde gleich doppelt hysterisch, denn keine zehn Meter vom Ufer entfernt beginnt schon der Wahnsinn. Was wir nur aus dem Aquarium kennen, schwimmt hier einfach so rum. Clownfische, Papageienfische, Picassodrücker schießen ungerührt durch die Beine der Badenden, ein getüpfelter Schlangenaal windet sich am Boden, ein Vieh, das aussieht wie ein Stein, drückt sich in einen Felsen, ein Seeigel trudelt über den Meeresboden. Lektion 1: nicht unter Wasser lachen, dabei kommt nur Wasser in die Maske. Lektion 2: Fische kann man nicht mit der Hand fangen, sie wirken immer näher, als sie sind. (Bis auf den Schlangenaal, den habe ich gestreichelt.)

Wir üben Mundstück verlieren, Maske ausblasen, aus der Flasche des Tauchpartners atmen. Ich kämpfe mit dem Druck auf den Ohren, bin anfangs zu ungeduldig mit mir und dem Druckausgleich. David zeigt Fische (Gott! Was riesiges Blaues!), Korallen, wir gehen tief und immer tiefer. Sechseinhalb Meter, sagt er später, 40 Minuten waren wir beim zweiten Tauchgang unten – ich hatte für beides nicht das geringste Gefühl, weder für Zeit noch für Raum.

Manchmal denke ich, es ist vielleicht ein bisschen viel für die Synapsen, was ich in diesem Jahr erlebe. Jeden Monat eine neue Welt, neue Eindrücke, neue Menschen, neue Lebensbedingungen, neue Regeln. Und jetzt auch noch dieser Kosmos unter Wasser. Mir platzt das Hirn. Vor Freude.


Negev

Sonntag, 9. Oktober 2011

Ich bin erst mal durchgefahren. Auch ohne Aussteigen am Toten Meer (oben das Salz- und Kaliwerk) dauerte die Fahrt nach Eilat sechs Stunden, ich nehme lieber auf dem Rückweg Zeit zum Treiben. Und auch so war es schwer genug, nicht alle paar Kilometer anzuhalten und die Kamera auszupacken. Ich liebe Wüste, und die Negev ist keine Ausnahme.

Meine Vermieterin Gabrielle hatte mich noch gewarnt, „die richtige Straße“ zu nehmen. Auf der anderen, der, die näher an der ägyptischen Grenze liegt, habe es neulich nördlich von Eilat einen Zwischenfall gegeben. „Hast du ‚Babel‘ gesehen?“ Ich wusste gleich, was sie meinte: Heckenschützen hatten vom Sinai aus zunächst auf einen Bus, dann auf einen Privatwagen geschossen, acht Menschen waren dabei gestorben.

Seltsamerweise macht mir das keine Sorge. (Obwohl ich natürlich die andere Straße genommen habe.) Auch wenn ich durch die Straßen von Tel Aviv gehe, fühle ich mich nicht bedroht. Noch schaffe ich es nicht, die Nachrichtenbilder mit dem Land zu verbinden. Aber die Gefahr ist da. Natürlich. Vor ein paar Tagen war ich in einem Vorort zum Essen eingeladen. Sie ist Deutsche und lebt seit 22 Jahren hier, er ist Israeli, die Familie ursprünglich aus Bagdad. Selbstverständlich haben sie einen Bunker im Keller, „ich nutze ihn hauptsächlich als Weinkeller“, sagt er, der Sommelier, lächelnd. Und sie sagt: „Niemals würde ich mein Kind mit einem Bus fahren lassen.“ Wann immer sie einen Bus überholt, sagt sie, zieht sie unwillkürlich den Kopf ein. Warum sie bleiben? Sie schweigen erst. „Wir denken seit zwei Jahren darüber nach zu gehen. Wir haben die Schnauze voll.“ Einfach zu lange mit dem Krieg, den Anschlägen gelebt, die erste Intifada mitgemacht, die zweite. Immer wieder gehofft, dass es endlich vorbei ist. Jetzt ist der Sohn 11, in sechs Jahren müsste er zur Armee, für drei Jahre. Vorher, das schwören sie sich, gehen sie. „Aber wir haben hier unser Leben, unsere Familie, unsere Arbeit. Die Sonne, den Strand.“ Zum Abschied pflückt er mir zwei Zitronen vom Baum vor dem Haus.


Abgetaucht

Sonntag, 9. Oktober 2011

Ich bin dann mal wieder weg. Ich habe einen Wagen gemietet und fahre nachher durch die Negev-Wüste ans Rote Meer nach Eilat, um dort eine Woche lang das Tauchen zu lernen, ein alter Traum, der jetzt wieder (räusper) aufgetaucht ist und spontan verwirklicht wird. Auf dem Weg dahin komme ich am Toten Meer vorbei und werde selbstverständlich das obligatorische Foto machen, zeitungslesend im Wasser treibend. Und weil ich wegen Laubhüttenfest und Sabbat zwei Tage tauchfrei habe: Vielleicht nutze ich die Gelegenheit, nach Jordanien hinüberzufahren, nach Petra.

Wie es mit dem Netz da unten aussieht, weiß ich nicht – das sehen wir dann ja. Falls ich also in dieser Woche nichts von mir hören lasse: Keine Sorge, mir passiert schon nichts.

Jom Kippur II/Sabbat

Samstag, 8. Oktober 2011

Nach Sonnenuntergang begann es erneut: Der Verkehr brandete über die Ben Yehuda, die Teller klapperten aus den Fenstern, das Leben ging weiter. Aber was für ein wunderbarer, leiser Tag es gewesen ist! Ich selbst habe mir ein komplettes, köstliches Garnichtstun verordnet, bestehend aus Rumliegen, Hörbücher hören, ein bisschen an den Strand gehen. Auch zuhause ist Samstag mein fauler Tag, am Sonntag sitze ich oft schon wieder am Schreibtisch, nach der ausführlichen Sonntagszeitungslektüre, versteht sich.

Der wöchentliche Sabbat findet seine Entsprechung im Sabbatjahr, neudeutsch Sabbatical. Eigentlich ein biblisches Konzept:

Sechs Jahre sollst Du Dein Feld besäen und sechs Jahre Deinen Weinberg beschneiden und die Früchte einsammeln. Aber im siebten Jahr soll das Land dem Herrn einen feierlichen Sabbat halten. Da sollst Du Dein Land nicht besäen und auch Deinen Weinberg nicht bearbeiten. (3. Mose 25,1-4)

Und genau so hält es österreichische Graphikdesigner Stefan Sagmeister, dessen Buch und Webprojekt Things I Have Learned in My Life So Far ich sehr mag. Alle sieben Jahre schließt er sein New Yorker Studio, nimmt für ein Jahr keine neuen Aufträge an und macht ein Sabbatical, um eigenen Interessen zu folgen und spielerisch neue Ideen zu entwickeln. Seine Überlegung: Statt der üblichen Dreiteilung des Lebens in 25 Jahre Ausbildung, 40 Jahre Arbeit und 20 Jahre Rente – wie wäre es, wenn man fünf Rentenjahre in regelmäßigen Abständen zwischen die Arbeitsjahre schiebt? Im TED-Vortrag oben erklärt er, wie das geht – und dass seine Arbeit in sechs folgenden Jahren fast ausschließlich auf Einfällen beruht, die er in der Auszeit hatte.

Jom Kippur I

Freitag, 7. Oktober 2011

Gegen drei bin ich endlich aus dem Haus gekommen, ich musste noch was fertigschreiben. Morgen ist Jom Kippur, jetzt besser schnell noch was einkaufen, dachte ich. Und stand dann mit offenem Mund auf einer menschenleeren Straße vor verschlossenen Geschäften. Auf der Straße, denn Autos fuhren zu diesem Zeitpunkt in etwa so viele wie sonst gegen drei Uhr nachts.

Straßen leer, Geschäfte zu, Restaurants geschlossen, selbst der Strand war verlassen – über diesem Freitagnachmittag, dem Vorabend zum höchsten jüdischen Feiertag, lag eine Stimmung wie frischgefallener Schnee. Die Welt ist wie ausgeknipst und in Watte gepackt, so leise. Ich glaube, ich hatte zuletzt 1973, am autofreien Sonntag während der Ölkrise, ein ähnlich entrücktes Gefühl mitten in einer Stadt.

Zu Jom Kippur hält das Land den Atem an. Selbst normalerweise nicht so Strenggläubige fasten für 25 Stunden und trinken nicht mal Wasser, es fahren keine Busse und Bahnen, das israelische Fernsehen stellt seinen Sendebetrieb ein, es ist der Tag der Ruhe und Reue, und er beginnt mit dem heutigen Sonnenuntergang. Weitere Regeln: kein Sex, keine Lederschuhe, weiße Kleidung. Der Tag wird in der Synagoge verbracht, mit einer Unterbrechung am Nachmittag für ein kleines Nickerchen.

Schon am normalen Sabbat befolgen viele das Gebot, am siebten Tag zu ruhen und nicht zu arbeiten. Gar nicht. Das bedeutete unter anderem früher: kein Feuer anzuzünden. Heute: kein Auto zu fahren (der Zündfunke), kein Licht anzumachen, nicht zu kochen. Ob Elektrizität erlaubt ist oder nicht, ob man einen Kühlschrank öffnen oder den Aufzug nehmen darf, also um alle Probleme, die alte Lehre in das moderne Leben zu übersetzen, darum gibt es viele – und viele lustvolle – Debatten. (Hier ein sehr hübscher Artikel über einen Rabbi, dessen Job die Schlupflöcher des Herrn sind.)

Doch wie immer, wenn der offizielle Betrieb ruht, beginnt ein geheimes zweites Leben. Heute, am Vorabend von Jom Kippur, drangen Kinderrufe hoch in meine Wohnung. Irgendwas war auf der Straße los. Ich ging noch einmal hinunter. Und tatsächlich: Die Kinder erobern sich an diesem Abend auf Fahrrädern, Skateboards, Inlineskates die leeren Straßen zurück so wie wir damals die verlassenen Straßen von 1973. (Übrigens dem Jahr des Jom-Kippur-Kriegs, als Ägypten und Syrien die Feiertagsruhe nutzten, um Israel zu überfallen – aber das ist eine andere Geschichte.) Es ist die entspannte, verspielte, übermütige und überhaupt nicht leise, sondern lebensfrohe Variante von Ruhe, wie ich sie so liebe. Ich habe gerade gegoogelt, ob man am Sabbat eigentlich joggen darf, und die Antwort war: solange es ein Vergnügen ist und keine Anstrengung – ja. Eine Auslegung, mit der ich leben kann.