Um 3 Uhr aufgestanden. Um 3.30 Uhr geflucht, weil das bestellte Taxi nicht da war. Um 3.40 Uhr doch noch eins gekriegt: das, aus dem die betrunkenen Nachbarn gerade herausfielen. Um 4 Uhr an der Harbour Bridge angekommen, zwei Minuten, bevor sie die Türen schlossen. Jeden ersten Samstag im Monat kann man nämlich den legendären Bridge Climb in der Morgendämmerung machen und nach dem australischen Kalender (wir hatten den ja schon mal) ist das heute.
Der Bridge Climb ist zunächst mal kein Vergnügen. Man wird in merkwürdige Strampelanzüge gesteckt, mit Sicherungsgürtel versehen, bekommt Stirnlampe, Regenjacke und Kopfhörer für die Anweisungen des Guides angeklippt, muss in ein Alkoholtestgerät pusten, unterschreiben, dass man selbst schuld ist an allem, was ab jetzt passiert, und sein gesamtes Leben in einem Schränkchen verschließen: Handy, Fotoapparat, Uhren, Schmuck, alles muss am Boden bleiben. Weil es sonst vermutlich sowieso dorthin fiele.
Dann schlängelt man sich hintereinander über schmale Stege durch das Stahlgerüst, steigt enge Treppen hinauf, hoch und immer höher. Bis man den eigentlichen Brückenbogen erreicht, sind gute zwei Stunden vergangen, und jetzt verstehe ich auch die Startzeit im Stockdunklen. Denn jetzt passiert plötzlich was Unerhörtes: Es wird Licht.
Mein Freund Clemens hatte mal während eines Thailand-Urlaubs die Theorie entwickelt, dass in den einschlägigen Urlaubsorten jemand von der Tourismusbehörde hinterm Baum steht, „Uuuuuuund Action!“ in ein Walkie-Talkie spricht und damit Fischerboote im genau richtigen Moment von links nach rechts durch die rosarote Sonne fahren lässt. Ich glaube, wir dümpelten gerade bei Sonnenuntergang im lauen Wasser, jeder ein eiskaltes Chang-Bier in der Hand, da kommt man schon mal auf solche Theorien. Jedenfalls: In der Dämmerung auf die Harbour Bridge zu steigen, sehr weit unter sich die Oper und den Rest der Stadt zu sehen, plötzlich von einem heftigen Regenschauer begossen zu werden, fünf Minuten später im Trockenen ergriffen und dankbar die Sonne aufgehen zu sehen – und sich dann umzudrehen und den größten Regenbogen aller Zeiten über sich zu haben, das war einer der besten „Uuuuuuund Action!“-Momente meines Lebens. Ich habe ja ohnehin derzeit den Eindruck, jemand hat mir die Hauptrolle in einem ziemlich tollen Blockbuster zugewiesen, und Mannomann, versteht der was von Special Effects.