Loo with a view

Mittwoch, 12. Januar 2011

Das Glenmore Hotel ist ein Pub von 1921 im historischen Viertel The Rocks, ganz nett so weit. Richtig nett ist aber die Dachterrasse mit einem großartigen Blick über die Oper und Circular Quay. Nach 18 Uhr füllt sie sich schnell mit Leuten aus den Innenstadt-Büros, die ihr Feierabendbier trinken, also besser früh kommen. Und: Der Pub hat die Damentoilette mit dem möglicherweise besten Ausblick der Stadt.

96 Cumberland St, The Rocks, NSW 2000. Wochentags 10 bis 24 Uhr, am Wochenende 10 bis 1 Uhr.

Göttlich

Dienstag, 11. Januar 2011

Dinner & movie, die klassische Abendbeschäftigung: auch die sieht in Sydney ein klitzekleines bisschen anders aus. Zum Beispiel, wenn man ins Govinda’s geht. Unten ist der Lotos Room, wo man meditativ chanten kann, wenn einem danach ist, im ersten Stock gibt es ein Restaurant mit vegetarischem indischem Büffet, an dem man sich anschließend stärkt – und im zweiten Stock einen Kinosaal, wie man ihn sofort nach Deutschland exportieren möchte. Keine Sitzreihen, sondern knallrote Liegereihen mit bequemen Kissen. Alle müssen sich die Schuhe ausziehen, was zu dieser Jahreszeit ohnehin nur das Abstreifen von Flipflops bedeutet. Sehr, sehr entspannt, sogar „The Social Network“, der heute gezeigt wurde, war auf diese Weise ganz erträglich.

112 Darlinghurst Rd, Darlinghurst NSW 2010, 02 9380 5155. Hier gibt es das aktuelle Programm, buchen kann (und sollte) man auch gleich online.

Bis(s) zur Happy Hour

Montag, 10. Januar 2011

Jeden Abend in der Dämmerung ziehen Vogelschwärme über meinen Balkon. Dachte ich zumindest anfangs. Bis ich eines Tages ein bisschen genauer hinguckte und entdeckte: Verdammt, es sind gar keine Vögel. Es sind… was zum Teufel sind das für Viecher?

Hier ist die Antwort: Flughunde. Fledertiere. Tagsüber hängen sie in den Bäumen des Botanischen Gartens und stören nicht weiter – es sei denn, bei großer Hitze. Dann versuchen sie, ihre Flughäute mit ihrem eigenen Urin zu kühlen, und stinken in der Folge ganz gewaltig zum Himmel. Abends gehen sie auf Nahrungssuche und fliegen in die Vororte von Sydney.

Mich entzückt immer wieder, dass man hier mitten in der Großstadt wie in einem Freiluftgehege lebt. Was man sonst nur aus dem Zoo kennt, läuft hier über die Straße oder fliegt einem auf den Balkon wie neulich der Lori. Gestern auf dem Heimweg aus der Innenstadt liefen zwei Ibisse eine Weile neben mir her. Bestimmt gewöhne ich mich an den Anblick so schnell wie an den von Tauben und Spatzen zuhause, aber vorerst habe ich das überhaupt nicht vor.

You can Ukulele

Samstag, 8. Januar 2011

Mein Gott, was für ein Spaß. Tatsächlich tauchten zum Event „You can Ukulele“ – Teil der First Night, Startschuss zum Sydney Festival – ein paar hundert Ukulele-Spieler auf, um gemeinsam mit Ali Mills und den Ukuladies eine Aborigine-Version von „Waltzing Matilda“ zu spielen. Mir hatte der reizende Stanislav Ulitzka die Ukulele seines siebenjährigen Sohns geliehen (danke, Stani, und danke, Alexander), und die letzten Tage hatte ich per Youtube-Video Ukulele gelernt. Oder zumindest verstanden, wie rum man so ein Ding hält. Das Lied hat zwar nur drei Akkorde, aber ich habe trotzdem zwei Tage gebraucht, bis ich meine Wurstfinger so weit hatte, die auf den vier Seiten zu finden.

Heute also der große Tag. Vor der Bühne im Hyde Park steht neben dem Erste-Hilfe-Zelt eines für Ukulele-Anfänger. Der nette Herr oben links stimmt brummelnd meine Ukulele („she’s a bit touchy“), die Dame unten rechts weist mich in die Philosophie der Ukulele ein („such a happy little instrument, isn’t it?“). Und Clarence, ein 70jähriger Maori aus Neuseeland mit gelbgrüner Perücke und Blumenkette, gibt mir Last-Minute-Unterricht („C, dann G. G!“). And off we go. Die anderen sind gottlob so fantastisch, dass es überhaupt nicht auffällt, was ich da spiele.
Hinterher rede ich noch ein bisschen mit Clarence. Er drückt mir einen Zettel mit der Überschrift „Grandparents on tour“ in die Hand: Er bricht im April mit seiner Frau zu einer achtmonatigen Wohnmobil-Reise durch Australien auf und spielt auf der Ukulele überall Charity-Konzerte für Opfer von Agent Orange. „Ich bin Vietnam-Veteran“, sagt er. „Das ist das Wenigste, was ich tun kann.“

Here comes the sun

Freitag, 7. Januar 2011

Um 3 Uhr aufgestanden. Um 3.30 Uhr geflucht, weil das bestellte Taxi nicht da war. Um 3.40 Uhr doch noch eins gekriegt: das, aus dem die betrunkenen Nachbarn gerade herausfielen. Um 4 Uhr an der Harbour Bridge angekommen, zwei Minuten, bevor sie die Türen schlossen. Jeden ersten Samstag im Monat kann man nämlich den legendären Bridge Climb in der Morgendämmerung machen und nach dem australischen Kalender (wir hatten den ja schon mal) ist das heute.

Der Bridge Climb ist zunächst mal kein Vergnügen. Man wird in merkwürdige Strampelanzüge gesteckt, mit Sicherungsgürtel versehen, bekommt Stirnlampe, Regenjacke und Kopfhörer für die Anweisungen des Guides angeklippt, muss in ein Alkoholtestgerät pusten, unterschreiben, dass man selbst schuld ist an allem, was ab jetzt passiert, und sein gesamtes Leben in einem Schränkchen verschließen: Handy, Fotoapparat, Uhren, Schmuck, alles muss am Boden bleiben. Weil es sonst vermutlich sowieso dorthin fiele.

Dann schlängelt man sich hintereinander über schmale Stege durch das Stahlgerüst, steigt enge Treppen hinauf, hoch und immer höher. Bis man den eigentlichen Brückenbogen erreicht, sind gute zwei Stunden vergangen, und jetzt verstehe ich auch die Startzeit im Stockdunklen. Denn jetzt passiert plötzlich was Unerhörtes: Es wird Licht.

Mein Freund Clemens hatte mal während eines Thailand-Urlaubs die Theorie entwickelt, dass in den einschlägigen Urlaubsorten jemand von der Tourismusbehörde hinterm Baum steht, „Uuuuuuund Action!“ in ein Walkie-Talkie spricht und damit Fischerboote im genau richtigen Moment von links nach rechts durch die rosarote Sonne fahren lässt. Ich glaube, wir dümpelten gerade bei Sonnenuntergang im lauen Wasser, jeder ein eiskaltes Chang-Bier in der Hand, da kommt man schon mal auf solche Theorien. Jedenfalls: In der Dämmerung auf die Harbour Bridge zu steigen, sehr weit unter sich die Oper und den Rest der Stadt zu sehen, plötzlich von einem heftigen Regenschauer begossen zu werden, fünf Minuten später im Trockenen ergriffen und dankbar die Sonne aufgehen zu sehen – und sich dann umzudrehen und den größten Regenbogen aller Zeiten über sich zu haben, das war einer der besten „Uuuuuuund Action!“-Momente meines Lebens. Ich habe ja ohnehin derzeit den Eindruck, jemand hat mir die Hauptrolle in einem ziemlich tollen Blockbuster zugewiesen, und Mannomann, versteht der was von Special Effects.

Dinner for two

Donnerstag, 6. Januar 2011

1 Flasche Viognier by Farr: 95 AUS$. Geeiste Gurkensuppe mit Austern und Dill: 29 $. Süßwasserkrebse: 59 $. Dinner mit jemandem, der mit Jacques Derrida und Jean Baudrillard befreundet war: unbezahlbar.

Darf ich vorstellen: Dr. Alan Cholodenko, Professor für Filmtheorie an der University of New South Wales. Nach einem solchen Abend, an dem es unter anderem um Vampirfilme, Julian Assange, französischen Poststrukturalismus und australischen Wein ging, merke ich mal wieder, wie blöd ich geworden bin. Guter Vorsatz für 2011: mehr mit schlauen Menschen essen gehen.

Restauranttipp des Tages: Sean’s Panaroma, Campbell Parade. Bondi Beach. Sehr lässig, spektakulär gutes Essen. Und wer keine 95 Dollar für eine Flasche Wein ausgeben will (obwohl sie es wert war), kann seine eigene mitbringen. Im Vorraum warteten Leute auf Tische, die Plastiktüten voll gut gekühltem Champagner dabei hatten – very Sydney.

Musik

Mittwoch, 5. Januar 2011

Entschuldigung, aber das muss jetzt wirklich mal sein, bringen wir’s hinter uns:

Rasen betreten erwünscht

Dienstag, 4. Januar 2011

Und das, liebe Freunde, ist der Grund, warum Sydney die tollste Stadt auf der Welt ist und ich eigentlich hier und jetzt meine Weltreise beenden kann, denn besser wird’s nicht mehr. Einer der schönsten botanischen Gärten der Welt, gepflastert mit Schildern, auf denen zum Rasenbetreten ausdrücklich aufgefordert wird (und ebenso dazu, die Bäume zu umarmen und ein Picknick abzuhalten) – das ist so entspannt und so großzügig wie die ganze Stadt. Sie wissen, dass sie’s hier schön haben, und teilen es gern. Auf den Rasen sollte man übrigens wirklich ganz unbedingt gehen, er ist weich wie Moos, stellenweise sinkt man knöcheltief ein. Kein Wunder, dass hier so viele aus den umliegenden Büros ihr Mittagsschläfchen machen: Vorhin schnarchte es gemütlich links und rechts neben mir.

Falls man allerdings einen Baum zu heftig umarmt, passiert dies:

Mist. Ich hab’s echt nur gut gemeint.

Kulturprogramm

Montag, 3. Januar 2011

Ah, mein Timing. Am Samstag beginnt das Sydney Festival. Sufjan Stevens, Phil Glass & Kronos Quartet, John Malkovich. Und ich trete auch auf, gleich am Eröffnungstag. Und zwar hier.

You are here

Montag, 3. Januar 2011

Ich finde die erste Mahlzeit in einer neuen Wohnung ja immer wichtig. Diese hier ist genau genommen die zweite, denn als erstes trank ich morgens um 9 Uhr ein Glas Cabernet Sauvignon aus der Flasche, die der Vormieter im Kühlschrank hat stehenlassen. Ja, 9 Uhr. Nein, es ging nicht anders. Denn die Stadt, das Apartment, der Blick auf Elizabeth Bay (das ist das Blaugraue, was man da hinter den Kirschen sieht), die 20 Stunden Flug, die hinter mir lagen… Es war alles zu überwältigend. Und irgendwo ist es immer gerade 17 Uhr, wie der alte Trinkerspruch und auch die New York Times sagt.

The notion of sunrise tipples is an old one. In the 19th century, it was not unusual for a gentleman to begin his day with a bracer at a tavern. “You always read about these ‘eye-openers,’ ‘fog-cutters,’ ‘phlegm-cutters,’ ‘morning glories,’ ” said St. John Frizell, who owns Fort Defiance. “They were arguably more popular than cocktails at night.”
But as the 20th century rolled along, a stigma was attached to daytime drinking. Perhaps because of this, “eye-openers” are among the last classic drinks to be resurrected by the current cocktail renaissance. “It’s kind of the last frontier for cocktails,” Mr. Frizell said.

Aber ich schweife ab. Erste Mahlzeiten: wichtig (zumal, wenn man ein Glas kalten Rotwein im Magen hat). Meine bestand aus einer Schale Kirschen (Kirschen! Im Januar! Aber hier ist Sommer) und einer Tasse Billy Tea.

Billy Tea ist eines dieser charmanten Australiana: Der Name stammt von den leeren Suppendosen (= bouillon cans), in denen einst Tee über dem offenen Feuer gekocht wurde. Ursprünglich warf man noch ein Eukalyptusblatt hinein. Probiere ich mal an einem dieser Tage.

Ich liebe solche Jetlag-Tage ja sehr, wo niemand, nicht mal man selbst, etwas von einem erwartet. Ankommen, auspacken, rumwandern, Kühlschrank füllen, den Nachmittag verschlafen – und am Abend was entsetzlich peinliches Heimwehkrankes machen. Wie, nur mal ganz hypothetisch und völlig willkürlich gewählt, die Silvesterfolge vom „Traumschiff“ in der ZDF-Mediathek angucken (Beatrice, vorwurfsvoll: „Mit mir sind Sie noch nie gestrandet, Käptn“). Irgendwo ist es immer gerade 20.15 Uhr.