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Samstag

Samstag, 12. März 2011

Heute einfach mal eine kleine Diashow vom Tag.

6.45 Uhr, Sonnenaufgang. Was ich an meinem Hotelzimmer ernsthaft liebe, ist der Ausblick durch die Panoramascheibe. Pure Stadt, am Morgen und am frühen Abend besonders schön. Die erste Kanne Tee im Bett (aus meiner Buenos Aires-Silberkanne, was war das doch für ein brillanter Kauf).

Open Air-Buchladen am Flora Fountain. Keine Ahnung, wie die das da jeden Tag hin- und wieder wegschaffen. Oder lassen sie die Bücher einfach unter der Plane liegen? Ich habe noch keine Stadt erlebt, die ambulanter ist als Mumbai. Jeden Morgen eröffnen Leute ihr Geschäft ganz einfach auf dem Bürgersteig: Eine Plane oder ein Stück Sackleinen wird auf dem Boden ausgerollt und das ist dann eine Schusterei, eine Handyreparatur, ein Barbier.

Kaufhäuser gibt es hier nicht. Dies kommt noch am nächsten ran: Khadi Gramodyog Sangh, ein großer runtergerockter Laden für indische Kleidung und Einrichtungsgegenstände. Früher, als der Laden noch Whiteaway & Laidlaw hieß, kauften hier die britischen Kolonialbeamten ihre Tropenhelme, Khakishorts und Chinintabletten. Ich habe ein salwar kameez erstanden, das Hemd für 193 Rupien (3,20 Euro). Man schämt sich immer ein bisschen bei solchen Preisen. Die Tageszeitung Times of India übrigens: 5 Rupien, acht Cent.

Khadi Store, 286 Dr DN Marg

Ein Palast? Beinahe. Es ist der Chhatrapati Shivaji Terminus, der Hauptbahnhof von Mumbai. Besser bekannt unter seinem alten Namen Victoria Terminus oder auch kurz VT. Ich stand davor und sagte „wow“. Der junge Inder neben mir, der ihn ebenfalls fotografierte, lachte und sagte „That’s India.“ Ein Architekturkritiker nannte den Stil mal „viktorianisch-gotisch-sarazenisch-italienisch-orientalischer Barock“ und das trifft es so halb. Es ist das größte britische Gebäude in Indien, 1887 vom Architekten der Londoner St Pancras Station gebaut. An der Fassade: steinerne Affen, Pflanzen, Fabeltiere.

Apropos Fabeltiere: Die offiziellen Mülleimer der Stadt bringen mich immer zum Lachen. Pinguine, in Indien? Warum nur? Ich muss das recherchieren.

Nachmittagsvorstellung der Bollywood-Romantic Comedy „Manu Weds Tanu“ im Sterling Cinema. Auf Hindi, klar. Aber man kommt trotzdem mühelos mit.

Der Stadtteil Fort im Zentrum. Hier siedelten die Briten als erstes, man sieht es den Häusern an. Paar tolle Schuppen dabei.

Ich vermelde nicht bei jedem Neuzugang im Koffer, was dafür rausfliegt, das wäre albern. Hier mal eine Ausnahme. Rein: großes Kaschmir-Seiden-Tuch, zweiseitig zu tragen. Raus: goldenes Lederarmband mit der Aufschrift Wohnen im Gewoge und keine Heimat haben in der Zeit. Das Tuch ist ‘n Tick größer, ich geb’s zu.

Markttag

Sonntag, 27. Februar 2011

Das somnambule Geschiebe auf Flohmärkten ertrage ich normalerweise nicht. Und auch nicht das weltweit identische Angebot an Glitzerschals, Holzmasken, lustigen Sonnenbrillen, geschnitzten Trollen und kandelaberartigen Ohrgehängen. All das findet sich auch auf dem Sonntagsmarkt in San Telmo, besonders entlang der calle Defensa, ergänzt durch die lokalen Spezialitäten: Fedoras im Nadelstreifenmuster à la Gardel, Tangopaare aus Silberdraht, Strickmützen mit Inka-Muster und handgemalte Belle Epoque-Kloschilder („Pipi Room“). Gezögert habe ich immerhin kurz bei diesen Mate-Trinkgefäßen. Schon rührend, wie sich Gauchos auf diese Weise schöne Erinnerungen an ihre treuen Zossen verschaffen. (Oder ihr letztes gutes Steak.)

Nähert man sich der Plaza Dorrego, dem Epizentrum von San Telmo, wird es deutlich schicker. Hier finden sich teure Antiquitätengeschäfte, die natürlich auch und besonders am Sonntag geöffnet sind und in denen es auch mal in die Tausende, wenn nicht Zehntausende von Pesos geht bei den feinen Sachen aus den großbürgerlichen Palästen von Recoleta. Mich erheitern dabei am meisten die überall geparkten amerikanischen Männer, die gottergeben auf ihre antiquitätenjagenden Gattinnen warten. Hier eine kleine Auswahl:

Et tu, Meike? Nix gekauft? Öhm… doch. In einem der Geschäfte habe ich ganz hinten links ganz oben in der Ecke eine einsame kleine versilberte Teekanne entdeckt. Mit der Gravur „Pension Callao“. Und weil ich doch den letzten Monat sehr glücklich in meinem Palast in der Avenida Callao verbracht habe, musste ich einfach… Serendipity! Mein Spanischkurs hat sich sofort bezahlt gemacht („Esta teteria mi gusta, cuánto cuesta?“) und ich hab sie sogar von 45 auf 25 Euro heruntergehandelt (langes grübelndes Drehen in den Händen, Stirnrunzeln, Zurückstellen, Seufzen – „demasiado“ –, huldvolles Nachdenken über einen Gegenvorschlag, Zaudernzaudernzaudern: alles von meiner Mutter gelernt). Ich habe jetzt also exakt zwei Souvenirs: einen Salzlöffel mit Schnabeltier aus Sydney, eine Teekanne aus Buenos Aires. Ich sehe da natürlich ein Muster und habe beschlossen: ab jetzt in jeder Stadt ein Stück Tafelsilber. Oder Tafelblech. Zwei sind der Anfang einer Sammlung. Oh, ich höre gerade etliche Menschen in Hamburg aufstöhnen…

Außerdem gefällt mir die Idee, mit einer versilberten Teekanne um die Welt zu reisen. Es hat was von Phileas Fogg.

Mehr Licht

Samstag, 12. Februar 2011

In Sydney waren es Restaurants, in Buenos Aires sind es Buchläden. Aber es hilft ja nichts: Wenn so viele wunderschöne Geschäfte in einer Stadt existieren, kann ich nicht die Augen davor verschließen.

Dieser Laden hier ist Eterna Cadencia in Palermo Hollywood (der Namenszusatz stammt von den vielen Film- und TV-Produktionsfirmen in der Gegend). Die Auswahl ist makellos, ich war kurz versucht, eine zweisprachige Ausgabe von Walt Whitmans Leaves of Grass zu kaufen. Und sie haben sogar Los Buddenbrook in einer wunderschönen Ausgabe.

Ein Juwel: der Innenhof mit einem kleinen Café, siehe oben. Es gibt wie in beinahe allen Cafés und Geschäften freies WLAN. Irgendwann die Tage packe ich mein MacBook ein und werde mich zum Arbeiten hierher setzen. Ich nenne es jedenfalls Arbeit.

Honduras 5574, Palermo, Buenos Aires

Noch ‘ne Buchhandlung

Donnerstag, 3. Februar 2011

Ein Kammerkonzert im Vergleich zur großen Oper des Ateneo von gestern, aber auch in der ungleich relaxteren Umgebung von Palermo Viejo, dem Prenzlauer Berg von Buenos Aires. Libros del Pasaje war ein Tipp des Kameramanns Matthias Fleischer, der zwischen Berlin und Buenos Aires pendelt (bitte nächste Woche ins Kino gehen, da startet sein in Buenos Aires gedrehter und schon jetzt mit Preisen überschütteter neuer Film Das Lied in mir). Er kaufte mir hier liebenswürdigerweise gleich noch den Führer „The Book of Books“, eine Einführung in die Wunderwelt der Buchhandlungen von Buenos Aires. Die Portenõs scheinen ausgesprochene Lesemaniker zu sein, hier kommt ein Buchladen auf 6000 Einwohner. Dieser hier ist besonders hübsch, mit bis unter die Decke gestapeltem Lesestoff, einem gut sortierten Tisch mit englischsprachiger Literatur (ich habe endlich Jules Vernes „In 80 Tagen um die Welt“ gekauft, eigentlich Pflichtlektüre für eine Weltreisende), einem ruhigen Innenhof und einem gemütlichen Café im hinteren Teil.

Thames 1762 (y Pasaje Russel), Palermo

Großspurig

Mittwoch, 2. Februar 2011

Hier ist alles ein bisschen größer als woanders und vielleicht auch ein bisschen größenwahnsinniger. Gestern musste ich auf dem Weg zum Tangoschuhladen die mit 140 Metern angeblich breiteste Straße der Welt überqueren, für die man als Fußgänger mindestens zwei Ampelphasen braucht. Noch nie habe ich eine Fußgängerampel gesehen, die einem per Countdown mitteilt, wie viele Sekunden einem noch für einen Rettungssprint auf eine Verkehrsinsel bleiben, bevor die Wagenlawine über einen rüberdonnern wird, sieben, sechs, fünf, vier Sekunden, oh Gott!

Heute dagegen war es beschaulicher, wenn auch nicht minder grandios. Einer der bekanntesten Buchläden der Stadt ist El Ateneo Grand Splendid, ein ehemaliges Theater, in dessen Logen man sich jetzt mit einem Stapel Bücher zurückziehen kann und auf dessen Bühne – dort, wo einst Carlos Gardel aufgetreten ist – man jetzt einen Cortado trinken kann.

Hier ein kleiner filmischer Rundgang.

Ein absolut magischer Ort – vorausgesetzt, man spricht Spanisch. Es gibt ein einziges schmales Regal mit englischer Literatur, darin findet sich allerdings ausschließlich Flughafenschrott.

Avenida Santa Fe 1860, Recoleta

Porteña

Dienstag, 1. Februar 2011

Ich hatte mir für den ersten Tag nur zwei Dinge vorgenommen, die ich kaufen wollte: erstens ein Steak und zweitens Tangoschuhe. Denn mit Flip-Flops und Ballerinas kommt man hier nicht sehr weit, das war mir schon vorher klar. Ab nächstem Montag lerne ich 20 Stunden pro Woche Spanisch – und vier Stunden Tango. Von den beiden ist Tango vermutlich die wichtigere Sprache in Argentinien.

Das Zentrum des hiesigen Tangoschuhhandels liegt bequemerweise in einer Straße nicht weit von mir, der Avenida Suipacha. Da liegen einander gleich drei Geschäfte gegenüber, die alle ihre eigenen Schuhe produzieren: Flabella (Nr. 263), Darcos Tango (Nr. 251) und Centro Artesanal del Tango (Nr. 256).

Flabella, siehe links, ist am hübschesten. Aber das Centro Artesanal hat mich schon durch die Auswahl an Absätzen überzeugt, siehe rechts. Tangoschuhe kaufen geht so: Der Schuhverkäufer guckt mich an und holt dann alles Vorhandene in meiner Schuhgröße (40) mit einer meiner Länge angemessenen Absatzhöhe aus dem Regal. Denn ich kann zwar auf 10 Zentimeter hohen Absätzen gehen, aber kann ich darauf auch tanzen? Das Aussehen der Schuhe ist dabei zunächst egal. Wir entscheiden uns für ein zurückhaltendes Modell in schwarz auf bescheidenen sieben Zentimetern, das schraubt mich zwar auch schon auf 1,90 Meter, aber der Porteño* ist ja selbstbewusst. Tanzschuhe kosten hier nicht furchtbar viel Geld (dasselbe gilt übrigens auch für Steaks), gute bekommt man schon ab circa 55 Euro.

* Porteños ist der Ausdruck für die Bewohner von Buenos Aires. Wörtlich übersetzt: Hafenstadtbewohner. Gefällt mir, denn das ist in der Tat ein eigener Menschenschlag.

Medialunas

Dienstag, 1. Februar 2011

Es geht schon wieder los. An der nächsten Straßenecke nämlich ist La Americana, „die Königin der Empanadas“, der gefüllten Teigtaschen, die hier zu jeder Tageszeit gegessen werden. Die müssen uns jetzt nicht weiter kümmern, die kriegen wir später. Leider haben sie dort aber auch Medialunas, leicht gesüßte kleine Croissants, eher saftig als krümelig und vollständig suchtbildend. Stück 1,10 AR$, umgerechnet 20 Cent. Das wird mein Untergang. Man sieht es schon an dem Foto oben: Ich konnte es mal wieder nicht abwarten und musste das angebissene Medialuna hinter seinem großen Bruder verstecken.

Avenida Callao 83, Buenos Aires

Party like it’s 4709

Samstag, 29. Januar 2011

Am 3. Februar wird das chinesische Neujahrsfest gefeiert, der erste Tag des Jahres 4709; es beginnt das Jahr des Hasen. Ich werde es leider verpassen, ich fliege übermorgen nach Buenos Aires. Aber ich wollte zumindest noch ein bisschen daran teilhaben, also bin ich heute auf eine anlässlich des Neujahrsfestes organisierte Food Tour durch Chinatown gegangen. Zum Essen kommen wir später (natürlich).

Oder vielleicht auch jetzt schon: Dies ist ein goldener Glücksrettich, und wenn man sich den auf den Schreibtisch stellt, winkt Reichtum und Zufriedenheit. Der goldene Glücksrettich ist so etwas wie der Goldene Schnatz von Chinatown. Gefunden habe ich ihn im Leung Wai Kee Buddhist Craft & Joss Stick Shop in der George Street, einem Geschäft, das sich auf Glücksbringer und vor allem buddhistische Grabbeigaben spezialisiert hat. Wer die chinesische Sitte kennt und schätzt, dem Verstorbenen symbolische Reichtümer ins Grab hinterherzuwerfen, der wird hier sehr, sehr glücklich. Denn Leung Wai Kee ist der vermutlich größte Hersteller von papiernen Opfergaben weit und breit, sie exportieren sogar nach Hongkong.

Es fanden sich: papierne BMWs, papierne Luxusvillen im Puppenhausformat, papierne Spanferkel. Das Allerschönste war aber die Auswahl an liebevoll geknickten und geklebten Anzügen und Kleidern, alle in Originalgröße und mit den passenden Accessoires. Hier ein paar der hübschesten Ensembles:

All diese reizenden, bis in die Stickerei detailgetreuen Papier-Kunstwerke werden nur gebastelt, um sie zu verbrennen. Ich erinnere mich noch daran, dass ich bei meinem ersten Besuch auf einem chinesischen Friedhof, es war in Hongkong, in Tränen ausbrach, weil ich es so geliebt habe, wie ganze Familien am Wochenende zu Opa ans Grab pilgerten, um dort ein bisschen zu picknicken und Mitbringsel wie Frühlingsrollen, Bierflaschen und Würfelspiele zu hinterlassen. Kränze? Bitte, wer braucht Kränze? Hat man je einen zu Lebzeiten haben wollen? Na bitte. Also sollte man auch als Toter keinen kriegen, sondern nur das, was man schon immer gemocht hat.

Leung Wai Kee, 764 George St, Sydney, NSW 2000

Grandma Takes a Trip

Dienstag, 25. Januar 2011

Ich muss vorausschicken, dass ich Vintage-Shops hasse. Das kratzige Polyester, der Geruch, der einfach nicht aus den Klamotten rauszukriegen ist… Gegen diesen allerdings konnte ich mich nicht wehren. Grandma Takes a Trip hat eine sensationelle Sammlung von Fifties bis Seventies, alles tragbar und unkarnevalesk. Nein, ich habe nichts gekauft. Aber ich habe verdammt viel anprobiert. Für Vintage-Freunde ist Surry Hills das Mekka, an der Ecke Crown/Goulburn Street gibt es noch mehr Läden.

263 Crown Street, Surry Hills, NSW 2010

Freitagabend-Fleischbeschau

Samstag, 22. Januar 2011

Freitagabends geht man aus, ich natürlich auch. Und zwar in den heißesten Club der Stadt, die Fleischerei Victor Churchill. Victor Churchill ist eine Legende, sie produzieren fantastisches Fleisch, bis zu 600 Tagen gras- oder getreidegefüttert, alles vor Ort trockengereift. Das Fleisch hängt für etwa vier Wochen mitten im Laden in einer Kühlkammer vor einer Wand aus Himalayasalz. Es verliert dabei etwa ein Drittel an Gewicht, gewinnt aber ungemein an Geschmack. (Ich schwöre, das ist der letzte Fress-Eintrag für lange Zeit, es wird mir schon selbst peinlich.)

Es ist die mit Abstand schönste Schlachterei, die ich je gesehen habe. Irgendwo zwischen Boutique und Museum, eine Vision aus Marmor, Zebranoholz, Leder und Kupfer. Der Laden hat selbstverständlich schon alle Designpreise abgeräumt.

Aber dafür war ich nicht gekommen. Sondern, um schlachtern zu lernen.


Vier Männer und ich – David, Phlebologe/Spezialist für Gefäßerkrankungen, Stuart, Medizintechniker, Mark, Hotelier, Luke, Weißichnicht – wurden in der hohen Kunst des Fleischhauens angelernt, anschaulich erklärt von David II, dem Schlachter. Roastbeef, T-Bone-Steak: Wo sitzt das, wie kriegt man das aus einem Hinterviertel geschnitten? Wir haben Messerschleifen und Schlachterknoten gelernt, damit der Braten schön in Form bleibt. Und auch, wie lange ein Steak nach dem Braten wirklich ruhen muss, damit sich die Säfte setzen. Nämlich laaaaaange. So lange, dass man schon denkt, es wird kalt. Wird es nicht, es wird nur gut.