People (who need people)
Samstag, 11. Juni 2011„Hm. San Francisco hat also viele interessante Häuser, Musicals, Bars und Strassenschilder. Was ist mit den Menschen?“ fragt Detlef heute in den Kommentaren. Zu Recht, ich habe mich wirklich ein bisschen mit der Architektur aufgehalten, schon weil ich sie so spannend finde. Die Menschen allerdings auch, deshalb hier eine kleine Auswahl der Leute von gestern.
Wieso sitzen all diese Leute auf dem Mittelstreifen, als ob sie auf etwas warten, fragte ich mich in der Dolores Street und setzte mich dann (siehe Schlangestehen) einfach dazu, nachdem mir einer erklärt hatte, worum es ging. „The firemen.“ Natürlich. Letzte Woche sind zwei Feuerwehrleute bei einem Brand gestorben, der schlimmste Unfall seit 65 Jahren. Und heute ist die Beerdigung. Die Dolores Street liegt auf dem Weg zum Friedhof, man erwartete den Trauerzug. Was dann kam, war allerdings unglaublich: Ein blitzender Konvoi von mehr als 200 Feuerwehrwagen aus dem ganzen Bundesstaat fuhr hinter den beiden Särgen her, es wollte einfach kein Ende nehmen. Abends in den Nachrichten sagte ein Feuerwehrmann aus Los Angeles, er habe Notdienst geschoben, damit die Kollegen aus San Francisco alle zur Trauerfeier gehen konnten. „Wir haben einen Crashkurs in Sachen Feuerbekämpfung in San Francisco bekommen: die Steigungen der Straßen, die Winde, all die Holzhäuser, die wie Zunder brennen… Wir passen gut auf.“
Weil das Leben manchmal merkwürdig ist: Nach der Beerdigung musste ich zum Bauchtanz. Es war der Auftrag einer SZ-Leserin, eine Klasse bei Carolena Nericcios Fat Chance Belly Dance Studio zu nehmen, und so was lasse ich mir natürlich nicht zweimal sagen. Jeder, der mich privat kennt, haut sich bei der Vorstellung, dass ich bauchtanze, gerade brüllend auf die Schenkel (ich sehe es doch von hier, Detlef), aber ich hab’s gemocht. Ich stand da in meinem Turnzeug inmitten dieser glorreichen Weiber – eine schwanger (damit hatte ich gerechnet), mehrere ganzkörpertätowiert (damit nicht) – und niemand hat auch nur ein bisschen dumm geguckt. Stattdessen: freundliches Geplauder vor und nach der Klasse (die übrigens irre anstrengend war, heute habe ich Muskelkater in den Hüften) und ein Vorurteil weniger.
Nach der Stunde: einen Gin Tonic im Uptown. Neben mir ein Typ namens Josh, der mir innerhalb einer halben Stunde sein ganzes Leben erzählte. Mit 14 von zuhause in Wisconsin abgehauen, lange gekellnert, auf dem besten Weg, Skateboard-Profi zu werden, mit 25 von einer betrunkenen Fahrerin angefahren, Wirbelsäule gebrochen, jetzt, mit 38, mit Stipendium in der Law School. Seine Freundin, eine gebürtige Japanerin, kam dazu, sie arbeitet in einem Immigrationsberatungsbüro und ist der Grund, warum er mit Jura angefangen hat. Es war zu dunkel im Uptown, um die beiden zu fotografieren, und blitzen empfiehlt sich hier eher nicht.
Aber dafür, weil’s so schön ist, dieses Bild vom Schaufenster eines Fotostudios in der Mission Street. Reicht das erst mal an Leuten, Detlef?