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Sati

Samstag, 26. März 2011

Sati, die Witwenverbrennung, wurde 1829 von den Briten offiziell verboten. Wie gesagt, offiziell. Angeblich liest man auch heute immer mal wieder Meldungen, dass es hier und da „freiwillige“ Selbstopferungen gegeben habe. Hier die Handabdrücke der 30 Maharanis von Jodhpur am Tor des Merengarh-Forts, die ihrem Ehemann in den Tod gefolgt sind. Unten der Gedenktempel Jaswanat Thada, der natürlich nur den Männern gewidmet ist.

Noch mal Jodhpur vom Fort aus gesehen: ein Häusermeer, das seinen Namen wirklich verdient.

Udaipur, Sahelion-ki-Bari

Dienstag, 22. März 2011

Ein Lustgarten etwas außerhalb des Zentrums, den der soundsovielte Maharana von Mewar im 18. Jahrhundert für die Hofdamen anlegen ließ. Eine Oase mit einigen sehr lustigen hochzeitstortenähnlichen Brunnen. Jedenfalls wenn man sich Hochzeitstorten mit Tigern und Elefanten vorstellt.

Udaipur, Stadtpalast

Dienstag, 22. März 2011

Der Stadtpalast von Udaipur ist gleich für mehrere Rekorde gut: Es ist die größte Maharana-(das ist eins drüber über Maharaja) Palastanlage von Indien, bestehend aus elf verschiedenen Palästen, die über 300 Jahre gebaut wurden. Sie sind Heimat der Sisodia-Familie, Herrscher der Provinz Mewar. Der derzeitige Maharana ist der 76., was die Sisodias zur vermutlich ältesten ununterbrochen herrschenden Dynastie der Welt macht. Ein Teil der Palastanlage ist heute Hotel, ein anderer (5.000 Quadratmeter großer) Teil Privatwohnung des Maharanas, seiner Frau und seines Sohns, und ein weiterer ist Museum.

Man weiß gar nicht, wohin man seinen Fotoapparat als erstes halten soll. Ich habe 135 Bilder gemacht, eines toller als das andere. Die Pracht ist unbeschreiblich, die Liebe zum Detail tränentreibend.

Die königliche Sitzwaage.

Zugewinngemeinschaft

Sonntag, 20. März 2011

Im Lauf des Nachmittags dachte Rose zum ersten Mal darüber nach, wie sie mit mir Geld verdienen könnte. „Wenn wir für jedes Bild zehn Rupien nehmen würden, macht das…“

Wir waren mit dem Schiff auf die Insel Elephanta gefahren, rund eine Bootsstunde von Mumbai entfernt, ein klassisches Sonntagnachmittagsausflugsziel für Inder. Es waren nur eine Handvoll Ausländer an Bord. Die eine Attraktion auf Elephanta: ein Höhlentempel aus dem 8. Jahrhundert mit diversen in den Fels gehauenen Shiva-Statuen, darunter einem sechs Meter hohen dreigesichtigen Shiva – der Gott als Schöpfer, Zerstörer und Beschützer. Die Portugiesen, die die Insel und den Tempel im 16. Jahrhundert entdeckten, haben einige der Statuen für Schießübungen genutzt, so wird erzählt, und so viel Kälte und Dummheit muss man erst mal im Herzen haben, einem völlig entrückten tanzenden Shiva die Beine wegzuschießen. Es sind aber noch genügend Statuen übrig, vor denen sich die Mumbaier Jugend mit ebenfalls steinernen Gesichtern zum Porträt aufbaut.

Zweite Attraktion der Insel: ich. „Can we take a picture of you?“ Mir werden rosagekleidete Kleinkinder an die Hand gegeben, kichernde oder ängstlich blickende Frauen zur Seite gestellt, und klick, klick, klick. Rose kommt aus dem Lachen nicht mehr heraus. Ich finde es nur fair: Für jedes Foto, das ich von einem Inder mache, macht ein Inder eins von mir.

Bei der Gelegenheit: Ich bin inzwischen ein großer Anhänger des salwar kameez geworden, des indischen Hosenanzugs, der hier weit öfter als Saris getragen wird – und auch unendlich viel praktischer ist, zumal bei großer Hitze. Am Mittwoch war es 41,6 Grad warm im Mumbai (übrigens eine Tatsache, die der Lokalpresse nur ein kleiner Einspalter wert war, obwohl es der heißeste Tag seit 1956 war – es gibt hier Wichtigeres), und selbst bei solchen Temperaturen trägt sich das Ganze wahnsinnig angenehm. Sogar in Dunkelblau.

Mangomania

Samstag, 19. März 2011

Ist jetzt nicht weiter spannend, aber ich liebe Mangos. Und ich gehöre zu den Leuten, die in kleine spitze Schreie ausbrechen, wenn sie etwas zu essen sehen, was sie gern haben. Was werde ich also bei dem Anblick oben getan haben? Richtig.

Schauplatz ist der Crawford Market, ein überdachter Markt für Obst und Gemüse, Gewürze und Parfum-Fakes, Wellensittiche und Hundewelpen. Halt für alles, was man im Leben so braucht. Wie die meisten asiatischen Märkte ein sensorischer Overkill. Nicht zuletzt wegen der akrobatischen Kulis und der Handwerker wie dem Messerschleifer unten, der seinen Stein mit Fahrradpedalen in Schwung bringt.

Mahlzeit!

Freitag, 18. März 2011

Von den berühmten Dabbawallas von Mumbai hatte ich schon vorher gehört, ein klassisches Brandeins-Thema: wie Wirtschaft eben auch funktionieren kann. Die Dabbawallas sind 5000 in einem Kollektiv organisierte Essensausträger, die es jeden Tag schaffen, 200.000 Henkelmänner mit liebevoll gekochter Hausmannskost, dabba (Hindi) oder auch tiffin (englisch) genannt, aus den Vororten von Mumbai an ihre Empfänger in der Innenstadt auzuliefern. Es ist eine hocheffizient arbeitende Menschenkette mit etlichen Verzweigungen: Ein Henkelmann wird von einem Dabbawalla abgeholt, mit dem Fahrrad zur nächsten U-Bahn-Station gebracht, dort zusammen mit anderen Henkelmännern im Gepäckwagen in die Innenstadt gefahren, die von einem weiteren Dabbawalla ausgeladen, auf eine andere Linie umgeladen, am Zielort von wieder einem anderen ausgeladen, auf Holztragen sortiert, an einen weiteren Sammelpunkt gebracht und von dort mit dem Rad oder zu Fuß, per Holzkarren oder auf dem Kopf getragen pünktlich zur Mittagszeit ausgeliefert werden, so wie jeden Tag. Anschließend wird der leergegessene Henkelmann auf demselben Weg wieder nach Hause transportiert. Die Fotos sind gegen Ende der Mittagszeit entstanden, unser freundlicher Dabbawalla oben hat gerade Pause und wartet, dass die Essenden ihre Henkelmänner zum Sammelort bringen. Der Service kostet 400 Rupien im Monat, etwa sieben Euro.

Wie das funktioniert und dass es überhaupt funktioniert, ist das Thema vieler Studien. Das Wirtschaftsmagazin Forbes hat den Dabbawallas ein Sigma 6-Rating gegeben, die höchste Effizienzstufe, denn angeblich geht nur eine von sechs Millionen Lieferungen mal daneben. Richard Branson hat schon mal einen Tag mit einem Dabbawalla verbracht, um hinter ihr Geheimnis zu kommen – was keines ist, sondern nur die strikte Befolgung eines Farb- und Zahlencodes auf den Henkelmännern – die meisten Dabbawallas, die alle aus einem Dorf aus der Nähe von Pune stammen, sind Analphabeten.

Hier bzw. hier weitere Geschichten über sie, hier auch ein Filmbericht.

Marine Drive

Donnerstag, 17. März 2011

Marine Drive ist eine etwa drei Kilometer lange Küstenstraße, die zum Feinsten zählt, was Mumbai zu bieten hat. Warum, hat sich mir zunächst nicht erschlossen, als ich die runtergekommenen Häuser sah, die sich hier aneinanderreihen. Teilweise wunderschöne Dreißiger-Jahre-Bauten, aber alle schwer gebeutelt vom Monsun. Drinnen, so sagte man mir, herrsche teils große Pracht, aber Geld in die Fassade stecken? Wozu? Die nächste Regenzeit kommt bestimmt.

Die Straße entfaltet ihre ganze Magie erst in der Dämmerung. Dann hocken alle dicht an dicht auf der Kaimauer, um der Sonne beim Untergehen zuzuschauen. Und tatsächlich, da wird sogar der Moloch kurz romantisch.



Auf dem Dach des Ambassador Hotels gibt es ein rotierendes Restaurant, und selbst das gewinnt in diesem Licht. Vielleicht mal hoch die nächsten Tage.

Mit allen Wassern

Mittwoch, 16. März 2011

Waschtag. Oder vielmehr: Waschenlasstag. Der Wäschezettel meines Hotels führt nur wenige Positionen mit westlicher Kleidung auf (besonders entzückend: „Handschuhe“ und „Taschentuch“), aber irgendwie sortiere ich mein Zeug da ein. Und erhalte es am Abend mit sorgfältig angebändselten Stofffetzen, auf denen meine Zimmernummer steht, die T-Shirts um Pappe herumgefaltet.


Heute habe ich mir angeschaut, wo sie vermutlich gewesen sind: im dhobi ghat, einer Open Air-Wäscherei. Die größte von Mumbai liegt in der Nähe der Mahalaxmi Station: 200 dhobis, Waschmänner, und ihre Familien arbeiten hier – das Geschäft ist erblich. Die Wäsche wird in Betonwannen eingeweicht, geschrubbt, geschlagen, gespült, in Kessel mit Stärke geworfen, aufgehängt, zusammengelegt – es ist ein wahnsinniges Schauspiel, scheinbar direkt aus dem Mittelalter. Vor allem Hotels und Krankenhäuser lassen hier waschen, aber von der benachbarten U-Bahn-Station werden auch immer wieder Bündel mit privater Wäsche hierher geschleppt.






Mein Zeug: blitzeblank. Und die raue Behandlung war ihm nicht anzusehen.

Sweet home

Sonntag, 13. März 2011

Schön, Sie haben sich also entschlossen, 750 Millionen Ihrer 29 Milliarden Euro Vermögen in den Bau eines Eigenheims zu stecken. Ist ja auch vernünftig in diesen Zeiten. Was machen Sie also? Bauen Sie Versailles II an der Côte d’Azur? Ein Chalet in der Schweiz? Heuern Sie Rem Koolhaas an oder Peter Zumthor? Oder machen Sie es so wie der reichste Mann Indiens, der Erdölmagnat Mukesh Ambani, und klotzen 27 Stockwerke in zentrale Mumbaier Lage, 173 Meter hoch, 37.000 Quadratmeter nur für sich, die Frau Gemahlin, die drei lieben Kinderlein und die Frau Mama? (Plus für die 600 Angestellten, ohne die es wirklich nicht geht.)

Das angeblich teuerste Privathaus der Welt, im letzten Herbst mit einer zweifellos rauschenden Party eingeweiht, steht nicht weit von meinem Hotel in der Altamount Road im Stadtteil Kemps Corner und ist von mehreren Seiten gut einsehbar. Was vermutlich Sinn der Sache ist. Sechs Etagen sind allein für den Fuhrpark samt eigener Werkstatt reserviert. Im 9. Stock liegt die hauseigene Notfallklinik, im 11. Stock ein Schwimmbad und ein Fitnessclub, ferner gibt es einen Krishna-Tempel, ein Kino, einen Ballsaal und eine Diskothek, drei Gärten und einen Vogelpark. Auf dem Dach befinden sich drei Hubschrauberlandeplätze, damit es beim An-und Abflug der Gäste nicht zu Staus kommt.

Das Haus ist natürlich gut bewacht, aber die Wachen rundherum, die mich mit in den Nacken gelegtem Kopf und Fotoapparat um das Haus streichen sahen, winkten mich nur freundlich über den Parkplatz eines Nebengebäudes in die günstigste Fotoposition.

37.000 Quadratmeter… Die Mutter von Ambani pendelt übrigens zwischen diesem Haus und dem ihres zweiten Sohnes Anil, das nur läppische 14 Stockwerke hoch ist.

P.S. Der landete vorhin auf meinem Fenstersims im immerhin 10. Stock. Kennt sich jemand aus? Ist das ein Bussard? War recht groß. Er guckte mich an wie einen Parsen (sorry, kleiner Insiderwitz).

Samstag

Samstag, 12. März 2011

Heute einfach mal eine kleine Diashow vom Tag.

6.45 Uhr, Sonnenaufgang. Was ich an meinem Hotelzimmer ernsthaft liebe, ist der Ausblick durch die Panoramascheibe. Pure Stadt, am Morgen und am frühen Abend besonders schön. Die erste Kanne Tee im Bett (aus meiner Buenos Aires-Silberkanne, was war das doch für ein brillanter Kauf).

Open Air-Buchladen am Flora Fountain. Keine Ahnung, wie die das da jeden Tag hin- und wieder wegschaffen. Oder lassen sie die Bücher einfach unter der Plane liegen? Ich habe noch keine Stadt erlebt, die ambulanter ist als Mumbai. Jeden Morgen eröffnen Leute ihr Geschäft ganz einfach auf dem Bürgersteig: Eine Plane oder ein Stück Sackleinen wird auf dem Boden ausgerollt und das ist dann eine Schusterei, eine Handyreparatur, ein Barbier.

Kaufhäuser gibt es hier nicht. Dies kommt noch am nächsten ran: Khadi Gramodyog Sangh, ein großer runtergerockter Laden für indische Kleidung und Einrichtungsgegenstände. Früher, als der Laden noch Whiteaway & Laidlaw hieß, kauften hier die britischen Kolonialbeamten ihre Tropenhelme, Khakishorts und Chinintabletten. Ich habe ein salwar kameez erstanden, das Hemd für 193 Rupien (3,20 Euro). Man schämt sich immer ein bisschen bei solchen Preisen. Die Tageszeitung Times of India übrigens: 5 Rupien, acht Cent.

Khadi Store, 286 Dr DN Marg

Ein Palast? Beinahe. Es ist der Chhatrapati Shivaji Terminus, der Hauptbahnhof von Mumbai. Besser bekannt unter seinem alten Namen Victoria Terminus oder auch kurz VT. Ich stand davor und sagte „wow“. Der junge Inder neben mir, der ihn ebenfalls fotografierte, lachte und sagte „That’s India.“ Ein Architekturkritiker nannte den Stil mal „viktorianisch-gotisch-sarazenisch-italienisch-orientalischer Barock“ und das trifft es so halb. Es ist das größte britische Gebäude in Indien, 1887 vom Architekten der Londoner St Pancras Station gebaut. An der Fassade: steinerne Affen, Pflanzen, Fabeltiere.

Apropos Fabeltiere: Die offiziellen Mülleimer der Stadt bringen mich immer zum Lachen. Pinguine, in Indien? Warum nur? Ich muss das recherchieren.

Nachmittagsvorstellung der Bollywood-Romantic Comedy „Manu Weds Tanu“ im Sterling Cinema. Auf Hindi, klar. Aber man kommt trotzdem mühelos mit.

Der Stadtteil Fort im Zentrum. Hier siedelten die Briten als erstes, man sieht es den Häusern an. Paar tolle Schuppen dabei.

Ich vermelde nicht bei jedem Neuzugang im Koffer, was dafür rausfliegt, das wäre albern. Hier mal eine Ausnahme. Rein: großes Kaschmir-Seiden-Tuch, zweiseitig zu tragen. Raus: goldenes Lederarmband mit der Aufschrift Wohnen im Gewoge und keine Heimat haben in der Zeit. Das Tuch ist ‘n Tick größer, ich geb’s zu.