Regentag

Donnerstag, 14. Juli 2011

Herrlich. Bei Regen aufgewacht, Tee gekocht, den Tropfen an den großen Fenstern zugeguckt. Und jetzt lungere ich im Marks & Spencer-Schlafanzug auf dem Sofa herum und bete, dass der Regen nicht nachlässt, so dass ich heute weder Schlafanzug noch Sofa verlassen muss. Das Haus hat eine bestens bestückte Bibliothek aus Design- und Reisebüchern, dazwischen stehen Klassiker wie Madame Bovary neben DVD-Boxen mit Godard-Filmen und, noch besser, Toy Story 1 bis 3. Aber auch andere Lieblinge von mir wie ein Buch der großartigen, großartigen, wunderbaren Maira Kalman finden sich hier. Und Ryszard Kapuscinskis Gespräche mit Hofschranzen des äthiopischen Königshauses nach dem Sturz von Haile Selassie – beste Vorbereitung für den November. Es gibt weder Fernseh- noch Handyempfang im Haus, es ist auch in dieser Hinsicht das Paradies.

Eines der Bücher hatte ich schon vorgestern mit in mein Schlafzimmer genommen: W.G. Sebald, Die Ringe des Saturn. Auch eines dieser „Wollte ich schon immer mal“-Bücher, das hier nun unbedingt gelesen werden wollte. Denn Sebald schildert darin seine Wanderung durch die spärlich besiedelte Landschaft von Suffolk (also durch genau die Gegend, in der das Haus steht), ähnlich mäandernd, wie Maira Kalman zeichnet, aber unendlich melancholischer. Erinnerungen, Assoziationen schlendern im Fußtempo in die Erzählung hinein und wieder hinaus. Ich habe mich sofort darin festgelesen, vielleicht, weil es meinem eigenen derzeitigen Wahrnehmungstempo so gut entspricht.

Als wir gestern morgen über die Dörfer nach Dunwich fuhren, im Mittelalter eine der wichtigsten Hafenstädte von Europa und sechstgrößte Stadt von England, doch über die Jahrhunderte vom Meer verschluckt und heute nur noch ein trostloser Ort aus zehn Häusern, einem Museum und einer Fish & Chips-Bude (im Führer steht: „Das Interessanteste an Dunwich ist das, was es nicht mehr gibt“), war die Sebaldsche Melancholie fast mit Händen zu greifen. Einst standen hier 400 Häuser, acht Kirchen, dutzende von Windmühlen, im Hafen lag eine Handelsflotte von 80 Schiffen – und alles ist untergegangen. Im 13. Jahrhundert schluckte ein Sturm fast ein Viertel der Stadt, der Hafen wurde unnutzbar, und ohne Einnahmen fehlte auch das Geld, sich gegen die gefräßige See anzustemmen. Ein Haus nach dem anderen stürzte die Klippen hinunter, die sich mehr und mehr ins Landesinnere vorarbeiteten. Schließlich stand nur noch die Ruine der All Saints-Kirche. „In 1919 it, too, slipped over the cliff edge, together with the bones of those buried in the churchyard“, schreibt Sebald, und „if you look out from the cliff-top across the sea towards where the town must once have been, you can sense the immense power of emptiness.“

Ein Dörfchen weiter landeinwärts, in Westleton, sieht es schon ganz anders aus. Ein heiterer Ententeich, Vorgärten mit Stockrosen und Kornblumen, ein nett rummeliger General Store und gegenüber, in einer ehemaligen Methodistenkirche, ein labyrinthisches Antiquariat. Überall stehen verschlissene Sessel; wer Bedienung will, soll mit einem Stock auf einen alten Ölkanister eindreschen, um die Buchhändler aus den hinteren Räumen zu locken. Ein Mädchen erscheint, fragt, ob wir gern Tee hätten, und bringt ein Tablett. Ich frage nach dem Sebald, ich würde ihn gern in London weiterlesen. „I have to ask Bob“, sagt sie. Bob erscheint aus den Katakomben, ein leichenblasser Mann mit schlohweißem Haar, gekleidet in eine blaugestreifte Pyjamahose, und nach einigem Hin und Her wird das Buch gefunden. „Es ist die Erstausgabe der englischen Übersetzung, deshalb ein bisschen teurer“, sagt Bob – ganze sechs Pfund.

Zuhause eine Mail von meinem alten Freund Andrew, Germanistik-Professor in Cambridge, derzeit aber leider in Berlin, sonst hätte ich ihn auf dem Heimweg nach London besucht: „Noch schöne Tage in Suffolk. ‘Die Ringe des Saturn’ von Sebald kennst Du wahrscheinlich? Ich habe neulich einen Aufsatz zum emigrierten Dichter und Übersetzer Michael Hamburger geschrieben, der in Suffolk lebte und auch bei Sebald vorkommt.“ Unsere alte Freundin, die Sychronizität, mal wieder.

Die ist übrigens auch optisch tätig. Ich habe es schon mal kurz angedeutet: Mein Übergepäck hat viel mit den Requisiten von Häuslichkeit zu tun, die ich trotzig durch die Welt schleppe. Teekanne, Morgenmantel, Ukulele – und ein Gobelinkissenstickset des britischen Herstellers Ehrman, eine meiner verschrobeneren Leidenschaften. Ich hatte es für lange Kaminabende mit ins Haus genommen, und hier traf das Kissen-Motiv auf eine mindestens genau so bunte Tassensammlung im Schrank, die problemlos die Vorlage hätte liefern können.


Landleben

Donnerstag, 14. Juli 2011

In einem Haus wie diesem, so einsam es auch liegt, bleibt man nicht lange allein. Heute morgen hatten wir Besuch von zwei Radlern vom benachbarten Campingplatz und einem Paar aus der Gegend, das gerade in der Lokalzeitung etwas über das Projekt gelesen hat und neugierig war. Klar durften die mal gucken – und haben uns im Gegenzug gleich mit guten Ausflugstipps versorgt.

Wenn man wie ich ein halbes Jahr am Stück nur in Großstädten unterwegs war, sind ein paar Tage auf dem Land fast exotisch. Ich liebe besonders die kleinen Landkirchen wie die direkt bei uns vor der Tür, die mit Körben von Feldblumen geschmückt ist und am Eingang eine Tupperdose mit Keksen für die Besucher bereithält („bitte Dose geschlossen halten – wegen der Fledermäuse“). Oder die glücklichen freilaufenden Schweine. Oder die unbekümmert gestrichenen Häuser.

Im benachbarten Blythburgh steht die Holy Trinity Church, eine durch die unbemalten alten Glasfenster ungewöhnlich helle Kirche mit Backsteinboden und einer ebenso ungewöhnlichen Holzdecke mit Engelsfiguren.

Aber wir wollten ans Meer.

Southwold ist eine Art Großstädtertraum eines ostenglischen Küstenorts, viele Londoner haben hier Wochenendhäuser. Man merkt es an den Boutiquen und Ökoläden, aber es ist nicht unangenehm. Dazu ist das Städtchen zu eigenwillig. Es hat geschafft, dass sich keine der großen Supermarktketten hier ansiedeln konnte, und so hat man das Vergnügen, das Abendessen in lauter kleinen Lädchen zusammenkaufen zu müssen. Beim Schlachter gibt es Wurst von freilaufenden Schweinen, siehe oben, im Käseladen ebenfalls lokale Spezialitäten.

Mein Lieblingsort aber war sofort der Sailors’ Reading Room an der Promenade. 1864 gebaut, um die Seeleute und Fischer aus den Pubs herauszuhalten – die Damen des Ortes lasen denjenigen vor, die es nicht selbst konnten –, ist der Reading Room heute immer noch der Ort, an dem man sich für ein Stündchen aufwärmen kann. Auf dem Tisch liegt die Fishing News („The voice of the industry since 1913“) neben der East Anglian Daily Times, an den Wänden hängen Galionsfiguren, Schiffsmodelle, Fotos einiger Generationen von Fischerfamilien. Auf einer kleinen Schultafel stehen die heutigen Tiden. Ganz still ist es hier, nur von draußen dringt gelegentlich das Grollen der Brandung herein.

Sailors’ Reading Room, East Cliff, Southwold. Täglich von 9 bis 17.30 Uhr geöffnet, im Winter bis 15.30 Uhr.

Sprachlos

Dienstag, 12. Juli 2011

Neue Heimat 7 1/2

Montag, 11. Juli 2011

Aus der Serie „Dolle Häuser, die dringend noch von mir bewohnt werden wollen“ habe ich mir für die nächsten Tage dieses hier ausgesucht:

Es steht in Suffolk, innen ist es auch ganz nett – allerdings könnte das Internet ein bisschen shaky sein. Wenn ich also nichts von mir hören lasse, ist entweder das Netz abgestürzt oder das Haus.

Gute Nacht

Sonntag, 10. Juli 2011

Gestern bin ich ins Theater gegangen. Dafür brauchte ich dringend neue Garderobe. Also zu Marks & Spencer in die Herrenabteilung, wo es die weltbesten Pyjamas gibt, Stücker 15 Pfund. Gestreift? Kariert? Ich entschied mich für einfarbig (blau, klar).

Moment mal, im Pyjama ins Theater? Der absolut passende Dresscode für die Performance Lullaby der Südlondoner Theatertruppe Duckie, die nichts anderes versucht, als das Publikum so schnell wie möglich in den Schlaf zu singen. Man checkt um 10.30 Uhr im Barbican ein, zieht sich in der Umkleide Nachthemd und Plüschpuschen an, bekommt eine heiße Schokolade im Foyer serviert und wird dann zu seinem Platz gebracht. In diesem Fall: ins Bett. Im Barbican Pit stehen rund um eine kleine Bühne 50 Einzel-, Doppel- und Dreierbetten. In dem neben mir liegen drei kichernde Franzosen, ein Mann und zwei Frauen. Auf jedem Nachttisch eine Wasserkaraffe und ein Beutelchen mit Lavendelseife, Schlafmaske und Ohrenstöpseln.

Auch die anderen Besucher waren festlich gewandet: rot-grüne Pyjamahosen mit Aliens und Robotern, rosa Polyesterrüschen-Nachthemden, Band-T-Shirts aus den späten Achtzigern, Snoopy-Shorts, es war alles dabei. Eine Frau kuschelte mit ihrem Stoffhasen, ein Pärchen stritt leise.

Die Show selbst war zum Gähnen – genau das wollte sie ja auch sein. Somnambul tanzende Tintenfische, ein wandelndes Stoffhaus mit Watterauch aus dem Schornstein, eine zaubernde Ente, die vergeblich einen Luftballon mit dem Zylinder zu fangen versuchte – „Dream food“ nennen die Performer das, Bilder wie direkt aus dem Kinderfernsehprogramm, die hoffentlich später zu Träumen werden. Dazwischen Gute-Nacht-Geschichten mit Fragen, die man mit in den Schlaf nehmen konnte („Wenn du aus etwas anderem als Fleisch bestehen könntest, was wäre das? Wärst du lieber ein Jahr blind oder ein Jahr taub?“) und Musik, die nur auf den weißen Tasten des Klaviers komponiert ist. Angeblich besonders beruhigend, weil es dieselben Noten sind, die Spieldosen verwenden.

Was diese Idee so unwiderstehlich charmant macht, ist die Freundlichkeit, mit der man hier betüdelt wird. Für die meisten ist es ja schon ein paar Jahrzehnte her, dass sie zuletzt liebevoll in den Schlaf gesungen wurden, einige haben es vielleicht nie erlebt. Aber jeden trifft es an einem wohlig warmen Fleck mitten im Herzen. Ich war jedenfalls noch vor der Pause, in der Betthupferl und warmer Brandy serviert werden sollten, selig eingeschlafen. Das letzte, an das ich mich erinnern kann, waren fliegende weiße Stoffquallen über unseren Köpfen. Oder habe ich das schon geträumt?

Aufgewacht bin ich davon, dass ein kleines Gehege mit tschilpenden Küken in die Mitte des Raums getragen wurde. Unglaublich, tatsächlich schon halb acht! Das Licht wurde langsam von magenta über orange auf gelb hochgefahren, die Bühnensonne ging auf, alle räkelten sich in den Betten. So ein gemeinsames Aufwachen unter Wildfremden ist ganz wunderbar. „Did you dream?“ fragt mich eine der Französinnen von nebenan, und der Mann auf meiner anderen Seite erzählt, dass er erst um halb vier eingeschlafen ist, weil er unter der Bettdecke Videogames auf dem Handy gespielt hat wie ein Zehnjähriger. Er rekapituliert, was ich gestern Nacht verpasst habe: Vorträge über das menschliche Nervensystem und seine Verbindung zum pythagoräischen Modell des Weltalls – eigentlich unmöglich, bei so was wach zu bleiben, aber er hat es geschafft.

In der Theaterkantine war schon das Frühstück aufgebaut: Toast und Croissants, weiche Eier und Orangensaft, Tee. Und überall nur das, was man sonst morgens selten sieht: lächelnde Gesichter.

Duckie’s Lullaby, Barbican Pit, bis 24. Juli. Der Eintritt beträgt 42 Pfund – damit ist dies der beste Bed & Breakfast-Deal von ganz London.

Was auf die Ohren

Freitag, 8. Juli 2011

Konzerte für lau: Beim iTunes-Festival, das derzeit in London stattfindet, spielen tolle Leute. Wer kein Glück bei der Vergabe der kostenlosen Karten hatte (wie ich), guckt in den Tagen danach das Ganze im iTunes-Store. Gestern Adele, neulich Seasick Steve.

Willkommen im Club

Freitag, 8. Juli 2011

Als ich vor ein paar Jahren mal eine Zeitlang in Brooklyn wohnte und mich meine New Yorker Freundin Sarah mit einem Mann verkuppeln wollte, pries sie ihn so an: Investmentbanker, superreich, frisch geschieden – und Mitglied des Knickerbocker Club. An all dem interessierte mich eigentlich nur letzteres: Ich habe eine Schwäche für alte Clubs, ich mag die getäfelten Räume, die knarrenden Dielen, das Ticken der Standuhren, das Rascheln der Zeitungen, das in der Regel fürchterliche Essen im Club-eigenen Restaurant. Die Idee eines third place, eines Ortes zwischen Arbeitsstätte und Zuhause, hat mir immer eingeleuchtet. Ich finde, man braucht solche Dekompressionskammern zwischen Nicht-mehr-da und Noch-nicht-hier, feste Orte für Gespräche, die sich um anderes drehen als die Banalität des Alltags oder die Banalität der Arbeit.

Aus dem Knickerbocker-Mann und mir wurde natürlich nichts (er fand sich spannender als mich, was in seinem Fall eine grobe Fehleinschätzung war), stattdessen suchte ich mir einen eigenen Club, den Montauk Club in Park Slope, und wieselte mich dort als Mitglied ein. Ich erzählte dem Auswahlkommittee, dass ich das Haus zum Schauplatz eines Romans machen wolle (aus dem dann auch nichts wurde – hm, fällt mir jetzt gerade wieder ein, könnte man ja eigentlich…) und dass ich mich deshalb ein bisschen umsehen müsse. Das genügte ihnen, und fortan stand ich ein paarmal in der Woche gegen sechs an der Bar neben anderen Clubmitgliedern, die mit Aktentaschen oder Einkaufstüten neben sich Gin Tonics tranken („easy on the tonic, please“) und den peruanischen Barmann Antonio zwangen, frisch gekaufte CDs abzuspielen, gern „The Mamas & the Papas“. Es waren die – zumindest vor diesem Jahr – glücklichsten zwei Monate meines Lebens.

Deshalb hatte ich mich auf gestern abend gleich doppelt gefreut: Nicht nur würde ich Michelle Witton wiedersehen (sie ist Punkt 5 meiner 10 Dinge, die ich in Sydney gelernt habe), wir würden uns auch im BAFTA Club treffen, in dem sie Mitglied ist. BAFTA ist die British Academy of Film and Television Arts, die jährlich ihre eigenen Oscar-ähnlichen Awards verleihen (gottlob gewinnt fast immer Colin Firth, der einfach die besten, nein: die allerbesten Dankesreden abliefert). Der BAFTA Club liegt in Piccadilly, ein paar Häuser von Fortnum & Mason und meinem Zweitlieblingsbuchladen Hatchards entfernt, ist überraschend, aber nicht enttäuschend unverstaubt und hat Sofas, die ich sofort auf dem Rücken nach Hause schleppen möchte.

Am schönsten fand ich einen Brief, den Gründungsmitglied David Lean auf Briefpapier vom Berkeley Hotel getippt hat. Darin geht es nicht nur um seine möglichen Einnahmen aus seinen Filmen „Die Brücke am Kwai“ und „Doktor Schiwago“ („they may amount to very little“) sowie „Lawrence von Arabien“ („hat noch keinen Gewinn gemacht und wird es vermutlich auch nicht“), sondern auch um eine der ersten Sitzungen des BAFTA Clubs, in der Alexander Korda, der Produzent von „Sein oder Nichtsein“ und „Der dritte Mann“, davon träumte, eines Tages die Royal Albert Hall für die Verleihung des Filmpreises anzumieten – „at which we chuckled politely“.

Michelle habe ich, wie gesagt, vor einem halben Jahr kennengelernt und auch zuletzt gesprochen; unsere Gespräche drehten sich folglich viel um das, was in diesen sechs Monaten mit uns jeweils passiert ist. Immer gut, gezwungen zu sein, Entwicklungen, die man hier im Blog ja fast auf Tagesbasis mitverfolgen kann, für jemanden aus der Vogelperspektive zusammenzufassen. Das Ergebnis ist wenig überraschend: Glück, Freiheit und Dankbarkeit für beides. Michelle wiederum, die ja wunderbarerweise sowohl als Rechtsanwältin wie auch als Schauspielerin arbeitet, hat es geschafft, ihre beiden scheinbar so widersprüchlichen Professionen zu einem Projekt zu vereinen: Schulungsvideos für britische Firmen zum Thema der neuen Antikorruptionsgesetze. Auch dies eine gute Lehre: Eines der besten Glücksrezepte ist ein entspanntes Sowohl-als auch.


Nicht verhandelbar

Donnerstag, 7. Juli 2011

Das hier könnte Spaß machen, leider erst im nächsten Jahr: Meryl Streep als Maggie Thatcher.

Hinaus & hinein

Dienstag, 5. Juli 2011

Heute vor 170 Jahren, las ich gerade, am 5. Juli 1841 also, wurde der Massentourismus erfunden. Unter der Leitung von Thomas Cook fuhren 570 Reisende mit der Eisenbahn von Leicester ins 20 Kilometer entfernte Loughborough und zurück. Für den Preis von einem Schilling gab es einen Stehplatz 3. Klasse in offenen Waggons, ein Schinkenbrot und eine Tasse Tee. Diese Reiseveranstaltung kam so gut an, dass Cook ab da weitere Pauschalreisen organisierte: nach Schottland, London, Ägypten und bald um die ganze Welt. Den Hotelvoucher hat er auch gleich miterfunden.

Der Diana-Tourismus ist dagegen noch relativ neu: Zum Todestag oder jetzt zu ihrem 50. Geburtstag am 1. Juli reisen immer noch Menschen weitaus längere Strecken als nur 20 Kilometer, um ein paar Blumen niederzulegen. Fans aus aller Welt haben teils sehr rührende Glückwunschkarten an den Zaun vor dem Kensington Palace gehängt und anschließend ihre Füße in den Diana-Brunnen des benachbarten Hyde Park.

Aber ich war eigentlich aus einem anderen Grund in den Park gegangen. Einer meiner Lieblingsarchitekten, der Schweizer Peter Zumthor, hat in diesem Jahr den Pavillon vor der Serpentine Gallery gebaut. Ich bin mal drei Tage lang sehr, sehr glücklich in seiner magischen Therme in Vals herumgedümpelt, die übrigens auch jede Reise wert ist, egal wie weit. Sogar dritter Klasse mit Schinkenbrot.


Peter Zumthor: Therme Vals by vernissagetv

Für Kensington Gardens hat er einen Hortus Conclusus gebaut. Von außen ein abweisend schwarzer Kasten, innen ein zum Himmel geöffneter Garten von Piet Oudolf, der nun wiederum einer meiner Lieblingsgartenarchitekten ist. Er macht ganz unmanikürte, wunderbar atmosphärische Steppenlandschaften mit vielen Gräsern und Wildblumen. Als ich mal einen Dachgarten hatte, habe ich hemmungslos bei ihm geklaut. Hier bildet die Wildheit einen schönen Kontrast zum klösterlichen strengen Kreuzgang des Pavillons.

Wieder mal erstaunlich: wie sehr einen solche Orte sofort zur Ruhe bringen. Hinein geht man vielleicht mit Einkaufslisten im Kopf, Ärger im Herzen, Blei in den Füßen. Heraus kommt man geklärt und beruhigt, beschützt und beschenkt.

Serpentine Gallery Pavilion 2011, Kensington Gardens, noch bis 16. Oktober


Question Time

Montag, 4. Juli 2011

Im englischen Parlament gibt es die schöne Sitte der Question Time: Den Regierungsmitgliedern (inklusive Premierminister) können Fragen gestellt werden – und jede einzelne muss wahrheitsgemäß beantwortet werden. Das wird hier natürlich sofort übernommen, zumal ich noch Antworten auf einige Fragen in den Kommentaren schuldig bin. Ich fange also schon mal an, weitere Fragen aus allen Bereichen können gern nachgeliefert werden, dieser Post wird dann im Lauf der nächsten Tage aktualisiert.

Halbzeit! Wie geht es Ihnen? Was war besonders eindrücklich in der ersten Häfte? Lust auf die 2. Hälfte? Freude auf/Angst vor dem Danach?
Ja, Halbzeit. Wirklich unglaublich, wie schnell das ging. Gerade in den letzten Monaten hat das Jahr bedenklich an Fahrt aufgenommen. Wie es mir geht? Gut, das merkt man, glaube ich. Sehr happy in der Fremde (mit einigen Ausnahmetagen, an denen mich die Sehnsucht packt, mal irgendwo bleiben zu können). Besonders eindrücklich? Indien, in all seiner Schrecklichkeit und Schönheit. Unvergesslich, und das, obwohl ich dort am unglücklichsten war. Große Lust auf die zweite Hälfte, natürlich – und keine Ahnung, was ich 2012 mache. Ich habe mir bis Oktober/November verboten, darüber nachzudenken.

Fühlt sich Europa ein wenig mehr heimatlich an? Will man das überhaupt, nach 6 Monaten Fremde und Exotik?
Es fühlt sich in der Tat so an, als ob ich nach einer Zeit im Weltall wieder in die Erdatmosphäre eingetreten wäre, aber das mag auch daran liegen, dass ich London schon einigermaßen kenne. Und daran, dass ich hier am Sonntag eine Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung kaufen kann, gleich bei mir um die Ecke: Instant-Zuhause, weil es ein heimatliches Ritual ist. Ich glaube, dass mir ein bisschen Vertrautheit nach einem halben Jahr Weitwegsein ganz gut tut.

Kribbelt es Ihnen eigentlichen den Fingern, von London aus mal schnell für ein Wochenende nach Hause zu fliegen? Oder würde das die Magie der Reise zerstören?
Nein. Kribbelt überhaupt nicht. Im nächsten Monat, von Kopenhagen aus, wäre es sogar noch leichter, aber ich bleibe hübsch hier draußen vor der Tür. Wenn ich wirklich das dringende Bedürfnis hätte, würde ich es vielleicht sogar machen – andererseits bin ich aber auch stur in solchen Dingen.

Wo ist die Silberkanne aus Buenos Aires?
Die hat diesen Monat Ausgang und vergnügt sich mit den anderen Teekannen hier in London. Ich will das gar nicht so genau wissen, was sie treibt. Allein wie sie inzwischen aussieht, das schmuddelige kleine Ding! Da muss dringend mal ein Silberputzmittel ran.

Wohin gehst du eigentlich zum Friseur?
In Buenos Aires war ich bei einem Kanadier, in Honolulu bei einer Schweizerin, beide waren Empfehlungen. Hier in London gehe ich einfach zum Friseur gegenüber, denke ich. Ich mache mir da keinen Kopf – im wahrsten Sinne des Wortes. Wie meine alte Kollegin Simone Buchholz mal gesagt hat: „Es gibt Frauen mit Frisuren und Frauen mit Haaren.” Ich habe Haare.

Wie machen Sie es mit den Schlüsselübergaben, wenn die Wohnungsbesitzer nicht selbst vor Ort sind? Und wie mit der Endreinigung?
Das war bisher immer problemlos. Mal war der Schlüssel bei einer Freundin hinterlegt, mal gab es eine Verwalterin, mal einen Doorman. Und bislang war mit Ausnahme von Sydney immer eine Putzfrau mit dabei – die ist gerade in diesem Jahr jeden Cent wert.

Haben Sie vor dem Blauen-Kleid-Projekt auch so viel blau getragen? Oder hängt das jetzt vor allem mit der einfach zu kombinierenden Reisegarderobe zusammen?
Das Kleine Blaue hat natürlich mächtig auf dieses Jahr abgefärbt, vor allem aus praktischen Gründen. Es hält die Reisegarderobe in Schach (nicht genug, wie ich an meinem Übergepäck merke) und gibt mir eine gewisse Kontinuität, die auch psychologisch nicht zu verachten ist. Einzige Ausnahme: das rote Oberteil an meinem Geburtstag. Es hat inzwischen die Heimreise nach Deutschland angetreten.

Take That? Du bist wohl nicht ganz bei Trost!
Doch, Mittwochabend. Nicht weil ich die so toll finde, sondern weil mich das Phänomen interessiert. Da musst Du durch, Hollow.

Hat das Personal Training was gebracht?
Absolut. Es war die Wiedereinstiegsdroge. Das Schwierige an jedem Sportprogramm ist ja die Phase, in der es zur Gewohnheit werden muss. Da ist jemand, der einen in den Hintern tritt, Gold wert. Ich gehe jetzt wieder regelmäßig laufen. Mein Trainer Rusty hat mir zum Abschied übrigens ein Theraband geschenkt, „Du musst deine Hüften stabilisieren, das ist gut fürs Laufen“. Das Band ist blau – ich schwöre, er hat nichts gewusst.

Wird es ein Buch geben?
Wie gesagt, noch verbiete ich mir alle Pläne für die Zeit danach, aber vermutlich: ja.

Hast du bei deiner Reiseplanung Wert darauf gelegt, in den jeweiligen Ländern besondere Feiertage mitzuerleben? Wenn du im Oktober in Israel bist, ist ja der Monat mit den höchsten und meisten Feiertagen.
Genau das ist der Grund, warum ich im Oktober in Tel Aviv bin. Ich wollte auch gern zur Kirschblüte in Tokyo sein, deshalb war der Besuch dort eigentlich für den April geplant. Ansonsten hat die Reiseplanung auch viel mit dem Wetter zu tun: Ich wollte den europäischen Winter auf der Südhalbkugel aussitzen, dafür den Sommer in Europa verbringen, wenn es hier am schönsten ist.

Könntest Du auch ohne Blog leben oder wäre der Entzug zu groß?
Sehr gute Frage, die ich mir auch oft stelle. Das Bloggen hängt ja aufs Engste mit meinen jeweiligen Projekten zusammen. Hätte ich also gerade nichts Besonderes in der Mache, würde ich nicht bloggen. Nach dem Ende des Kleinen Blauen hat mir nicht das Geringste gefehlt. Ein Reiseblog wiederum halte ich für beinahe lebenswichtig. Es hilft mir, die Eindrücke zu sortieren und zu verarbeiten, es ist Notizbuch und vor allem: Es verschafft mir jede Menge Reisebegleiter gegen aufkommende Einsamkeit.

Haben Sie Ihre Wohnung in Deutschland auch untervermietet wie Herr Djerassi? Mir würde es sehr schwer fallen…
Mir nicht. Im Gegenteil, mir würde es schwerfallen, sie sinnlos leerstehen zu lassen. Beide Wohnungen, die in Hamburg und das Mini-Apartment in München, sind untervermietet. In Hamburg wohnt meine beste Freundin, die gerade selbst was sucht (nur falls ein netter Vermieter mitliest), in München ein junger Medizinforscher, von dem ich mir immer vorstelle, dass er meine Wohnung täglich im Laborkittel desinfiziert.

Wenn Sie einen Notkoffer packen müssten, fürs Fremdeln-Wiederdaheim: Was wäre bis jetzt alles drin? [Und sind Sie gut versorgt für den 31.12.2011?]
Verstehe ich die Frage richtig: Was von meiner Reise müsste ich zuhause haben, um das Fremdeln zu überwinden? Ich reise ja inzwischen mit einem hausratsversicherungspflichtigen Koffer. Darin: Ukulele, Morgenmantel, Teekanne, Gobelin-Stickset (I’m not kidding, dazu kommen wir später noch). All das dient dem Home-away-from-home-Gefühl. Umgekehrt könnte es mir die Wiedereingewöhnung erleichtern.
Der 31.12.2011 ist noch mit einem großen Fragezeichen versehen, denn ich weiß nicht, wo ich dann bin. Mein derzeitiger Plan ist es, mit einem Schiff im Hamburger Hafen einzulaufen. Containerschiff, Bananendampfer, notfalls auch die Queen Mary II. Möglich also, dass ich zu Silvester noch auf hoher See bin.

„Unvergesslich, obwohl ich dort am unglücklichsten war…” – so ist es es auch mit manchen Männern, gell?
Ist das eine Frage? Dann: ja. Mit manchen.

Überlegen Sie manchmal, nach den 12 Stationen einfach weiter zu reisen? Vielleicht doch noch die ein oder andere Stadt mitzunehmen, die in den aktuellen Plan nicht mehr reingepasst hat?
Klar. Auf Anhieb: Tokyo. Riga. Reykjavik. Budapest. Hanoi. St. Petersburg. Dakar. Rio de Janeiro. Montreal. Wien. Da ginge schon noch was. Aber ich glaube: nicht noch mal ein ganzes Jahr, sonst würde es richtig schwierig werden, wieder Fuß zu fassen. Irgendwann ist auch mal Schluss mit lustig, ich möchte dann lieber wieder Zuständigkeit & Zugehörigkeit.

Welche drei Dinge/Menschen (oder was auch immer) aus Deutschland vermissen Sie auf Ihren Reisen am meisten und welche drei Dinge/Menschen/Begegnungen/Erfahrungen, die Sie auf den Reisen kennengelernt haben, möchten Sie nicht mehr missen?
Unmöglich zu beantworten, fürchte ich. Menschen: selbstverständlich sehr viele, es wäre fürchterlich, jetzt drei herauszupicken. Dinge vermisse ich gar keine, daran habe ich mein Herz noch nie gehängt, aber ich hatte ein wohliges Gefühl, als ich gestern die FAS kaufen konnte.
Was ich nicht mehr missen möchte: das berauschende Gefühl von Zuversicht, dass alles geht. Eine gewisse Vogelfreiheit. Eine gewisse Unerpressbarkeit.

Noch ne Frage, liebe Meike. Am Anfang dachte ich mir: Mit einer halben Million um die Welt, das heißt erster Klasse fliegen, Luxushotels und immer in den besten Restaurants zum Essen gehen. Aber wie wir jetzt wissen, ist dem nicht so und wahrscheinlich kosten die Monate nicht mehr als in Hamburg oder München. Führen Sie ein “Haushaltsbuch” auf Reisen und/oder können Sie beziffern, was das erste halbe Jahr so gekostet hat?
Das ist in der Tat die größte Überraschung: dass das Leben hier draußen nicht teurer ist als zu Hause, oft sogar billiger. Buenos Aires, Mumbai: beschämend billig. Sydney, San Francisco, London, Kopenhagen: schon teurer, klar. Ich habe mir für dieses Jahr 60.000 zur Seite gelegt, also pro Monat üppige 5.000 Euro budgetiert, inklusive Flüge und Miete. Plus noch mal ein Sicherheits- und Spielgeldpolster von 20.000, falls unterwegs etwas Unvorhergesehenes passiert (ich mir zum Beispiel dringend ein Couture-Kleid schneidern lassen möchte oder so was). Bislang habe ich 19.000 Euro ausgegeben – die Flüge sind bis einschließlich Tel Aviv bezahlt – und dabei wirklich nicht nur von Brot und Butter gelebt. Da ich ja zudem von unterwegs weiter arbeite, muss ich an das Geld weit weniger ran, als ich dachte. Ich hätte dieses Jahr niemals ohne den Jauch-Gewinn geplant – und jetzt stelle ich fest, dass ich ihn gar nicht gebraucht hätte.

Hätten Sie diese Reise auch gemacht, wenn Sie liiert wären?
Das ist schwer zu beantworten, denn das hinge von der Beziehung ab. In dieser Form vermutlich nicht. Denn es gäbe ja nur zwei Varianten: Wir würden es zu zweit machen, dann wäre es eine ganz andere Reise. Oder ich würde es allein machen, er bliebe zuhause (und würde höchstens gelegentlich mal dazustoßen), dann wäre es auch eine ganz andere Reise. Denn sie würde weitaus mehr mit Sehnsucht und Heimweh zu kämpfen haben. Die Ungebundenheit, die ich derzeit habe, hilft also ganz ungemein. Und wie ich schon mal schrieb: Allein reisen lässt aufmerksamer reisen. Ich sehe mehr, ich mache mehr, ich lerne mehr Leute kennen.

Wenn ich verreise, habe ich meist große Schwierigkeiten mit den Betten… zu weich, zu hart, zu durchgelegen usw. Hattest Du bisher a) Glück b) eh keine Schwierigkeiten oder c) was wäre Dein Tipp für einen erholsamen Schlaf?
Ich bin die Tochter eines der größten Schlaftalente unter der Sonne. Das habe ich anscheinend geerbt. Ich schlafe im Flugzeug, auf harten Matratzen, auf weichen Matratzen – keine Probleme. Ich komme auch mit dem angelsächsischen Laken-und-Wolldecken-Bettzeug klar, obwohl ich natürlich lieber eine Daunendecke in Überlänge habe. Jetlag: habe ich, stört mich aber nicht. Schließlich ist es ziemlich egal, wann ich wach bin. Und ich lege mir nie Termine in die ersten zwei, drei Tage. Ansonsten hilft Melatonin und viel Bewegung bei Tageslicht.

Hätte auch noch zwei Fragen… Bist Du die ganze Zeit gesund gewesen bzw. wie hast Du Dir geholfen/helfen lassen/Schamanen-Doc?? Und – völlig albern, aber ich bin so ein Nasenmensch – hast Du EIN Duschgel, das Du überall kaufen kannst, oder riechst Du malsomalso?
Ich hatte den handelsüblichen Indien-Durchfall für einen Tag, sonst nur mal eine Erkältung. Kein Hexendoktor nötig bis jetzt. Duschgel: nein, ich kaufe, was es halt jeweils im Land gibt. Ich finde es überhaupt ganz prima, argentinische Sonnenlotion, chinesische Zahnpasta und hawaiianisches Shampoo im Gepäck zu haben. So ziehen die Städte eine Duftspur hinter sich her. Die einzige Konstante: mein Parfum, Hermès Voyage. (Natürlich.)

Was machen Sie eigentlich den ganzen Tag? Vielleicht ein doofe Frage, aber man kann ja auch nicht die ganze Zeit und jeden Tag Sightseeing machen. Sie arbeiten ja auch noch. Teilen Sie das strikt auf, 2 Tage Arbeit, drei Tage Erkundungen und das Wochenende faulenzen oder geht das eher fließend ineinander über?
Ich bin nicht sehr systematisch in der Trennung von Arbeit und Freizeit, das bringt mein Job mit sich. Ich bin leider noch nicht mal sehr systematisch in der Arbeit und surfe manchmal hart an der Deadline, wie meine Redakteure in Hamburg und München seufzend bestätigen werden. Schöne Tage nutze ich lieber zum Rumstromern, zum Schreiben warte ich auf Regentage. Und wenn die einfach nicht kommen wollen…
Auch sonst unterscheidet sich mein Leben hier draußen gar nicht so sehr von dem zuhause. Morgens rumdaddeln, Mails und Zeitung lesen, laufen gehen. Nachmittags meist am Schreibtisch (der gern auch mal in einem Café stehen darf) – oder halt nicht. Ich bin auch beim Entdecken der Städte nicht sehr systematisch, ich gehe los, gehe verloren, entdecke, gucke, laufe viel weiter, als ich geplant hatte. Gestern wollte ich eigentlich nur mal kurz um die Ecke zum Westbourne Grove und fand mich plötzlich im Hyde Park und in der Fressabteilung von Harvey Nichols wieder. Abends treffe ich Leute, gehe ins Kino oder Theater oder Konzert oder liege auch einfach mal faul auf dem Sofa und lese. Oder gucke fern. Nichts ist entspannender als britisches Fernsehen, in dem Leute eigentlich ständig ihre Häuser renovieren.

Haben dich schon ein paar Freunde auf Deinen Reisen besucht? Welche Blogs liest Du?
Bislang nur eine Münchner Freundin, mit der ich zehn Tage durch Rajasthan gereist bin. Aber ab diesem Monat kommen durch die Nähe zur Heimat immer mal wieder ein paar Leute vorbei. Ich freue mich sehr, aber ich ahne auch, dass ich erst mal fremdeln werde.
Blogs: Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich kein Blog regelmäßig lese. Dafür fehlt oft die Zeit, in der ich lieber die örtlichen Zeitungen lese, um die Städte auch auf diese Weise kennenzulernen.

Was ist eigentlich aus dem transportablen balance board aus SF geworden? Gibt es das?
Mein Trainer schlug mir das TRX-System vor, mit dem wir auch teilweise gearbeitet haben. Großartig, aber ich habe es trotzdem nicht mitgenommen. Ich kenne mich, es läge jetzt in der Ecke.

Wie machst Du das auf Deiner Reise denn mit dem Lesestoff? Zurücklassen? Nur elektronisch lesen? Per Paket heimschicken?
Alles drei. Ich habe extra für die Reise aus Vernunftsgründen einen Kindle gekauft, aber ich kann nun mal an keinem Buchladen vorbeigehen. Und einige Bücher gibt es schlicht nicht für den Kindle. Herrliche Ausrede! Bei gekauften Büchern unterscheide ich zwischen Ex-und-hopp, die lasse ich meistens in irgendeinem Café liegen, und solchen, die was zum Klingen bringen und mich später an die Reise erinnern werden. Die werden (für absurdes Geld) heimgeschickt.

Liebe Meike, darf ich nochmal nachfragen, weil ich es einfach nicht glauben kann: 19.000 Euro in sechs Monaten? Alle Kosten? Auch Altersvorsorge, Lebens-, Unfall-, Haftpflicht-, Krankenversicherung? Oder sind das nur die Kosten, die Du zusätzlich hattest? Für Flüge, Miete, Essen, Eintritt und was da sonst noch so alles zusammenkommt. Sind die Mietkosten für die Wohnungen, die Du unterwegs mietest, nicht höher als die Einnahmen, die Du für Deine Wohnungen in HH und M hast?
Die 19.000 sind für die Lebenshaltungkosten unterwegs draufgegangen, inklusive Flüge und Unterkünfte. Was an laufenden Kosten zuhause weiterläuft (in der Tat Altersvorsorge, Künstlersozialkasse, Versicherungen, aber auch die Hypothek für meine Wohnung, Wohngeld etc.) wird von meinen Einnahmen mehr als gedeckt.

Liebe Meike, was tun Sie, wenn Sie sich einsam fühlen? Wie schaffen Sie es, immer wieder Leute zu treffen, mit denen Sie reden und die Zeit angenehm verbringen können? Ich bewundere das, weil ich beim Alleinreisen dazu neige, mich sehr in mich selbst zurückzuziehen…
Oh, solche Phasen habe ich natürlich auch. Gelegentliche Einsamkeit ist die Kehrseite des glücklichen Alleinreisens, und es stimmt, der Instinkt sagt, dass man sich dann zusammenrollt und unsichtbar macht. Finde ich auch völlig in Ordnung so, das muss hin und wieder einfach mal sein. Leute treffe ich meist per Schnellballprinzip: Freunde von Freunden, „wenn Du in X bist, musst Du unbedingt Y treffen“, so geht das ständig. Ansonsten liegt es vermutlich an meinem sehr öffentlichen Reisen, dass ich mich nur äußerst selten einsam fühle. Ich stehe ja quasi unter Beobachtung und werde virtuell begleitet, das macht schon viel aus.

Was mir immer wieder (v.a. seit Hawaii – irgendwie fand ich gefühlsmäßig, daß Sie dort einfach hingehören) durch den Kopf geht: Können Sie sich vorstellen, nach dem Jahr auszuwandern? An einen Ort, der Ihnen besonders gut gefallen hat? Oder steht eindeutig fest, daß Sie danach wieder nach Deutschland gehen und dort auch bleiben?
Derzeit steht nichts fest und ich könnte mir das durchaus vorstellen. Aber eher langfristig. Es müsste ein englischsprachiges Land sein, denn in der Sprache fühle ich mich zuhause – essentiell für eine zweite Heimat. Mittelfristig könnte ich mir vorstellen, meine Zeit zwischen Deutschland und X zu teilen. Vielleicht drei Monate im Jahr woanders leben, das wäre problemlos machbar. Denn was ich in diesem Jahr auch gelernt habe: Wir denken viel zu oft in „Entweder-oder“, zu selten in „sowohl-als auch. Man muss nicht alles Alte aufgeben, um etwas Neues in sein Leben zu lassen.