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High Society

Donnerstag, 8. September 2011

Zum Essen geht niemand ins Mirablau (zum Trinken schon eher), aber warum sollte die Küche sich auch Mühe geben? Die Leute haben sowieso keinen Blick für ihre Teller. Sondern für die Fußballer am Tisch nebenan und für den Hammerblick über die ganze Stadt bis zum Meer.

Ich war hier mit Adriana, die seit drei Jahren als IT-Spezialistin in Barcelona lebt. Mit 16, erzählt sie, zog sie von Rumänien nach Deutschland, deutsch hat sie schon als Kind von ihrer Mutter, einer Banater Schwäbin, gelernt. „Wir rollten das R auch immer so – Spanisch zu lernen ist mir also ganz leicht gefallen.“

Bar Mirablau, Plaça Doctor Andreu 1, Tibidabo

Hoch hinaus & bodenständig

Donnerstag, 1. September 2011

La Seu, das Licht, heißt im Voksmund die alte Kathedrale von Barcelona, auf die ich heute eher zufällig gestoßen bin (gibt es was Schöneres, als ohne Stadtplan in konzentrischen Kreisen um eine neue Wohnung zu mäandern?). Sehr hell ist sie nicht, man muss ihr schon aufs Dach steigen, um das Licht zu sehen. Aber dann!

Noch schöner als die Kathedrale selbst ist der Kreuzgang mit seinem palmenbewachsenen Innenhof und den 13 schnatternden Gänsen – für jedes Jahr, das die Schutzheilige der Kathedrale, Santa Eulalia, gelebt hat, eine.

In den Gassen des Born hat sich die baskische Variante der Tapas (oder die spanische Variante des smørrebrød?) durchgesetzt: pintxos. Kleine Häppchen, meist auf Brot, zusammengehalten von einem Holzspieß. Man sammelt die Spießchen, nach ihrer Anzahl wird später abgerechnet. Man steht an der Bar, trinkt ein Glas Weißen (oder zwei) und debattiert mit den Nebenstehenden über die besten pintxos. Hin und wieder bringt jemand aus der Küche einen neuen Teller (Mini-Chorizos!) und alle stürzen sich drauf. Die perfekte 15-Uhr-Mahlzeit.

Zwischen Picasso-Museum und Santa Maria del Mar liegt diese Pintxo-Bar, die zum baskischen Kulturzentrum gehört und als eine der besten gilt:

Euskal Extea, Placeta Montcada 1-3

Neue Heimat 9

Mittwoch, 31. August 2011

Eine Gasse im Born, in die ich mich nie trauen würde, wenn ich hier nicht wohnen würde. Drei enge, steile Treppen hoch – und dann eine frische Brise Weiß, die 28 Grad Barcelona sofort auf angenehme 22 Grad herunterkühlen. El Born ist neben dem Barrio Gótico das Altstadtviertel von Barcelona, 10 Minuten von den Ramblas und 10 Minuten vom Strand entfernt, fünf Minuten vom Picasso-Museum und drei Minuten vom Markt. Die bisherigen Monate haben mich gelehrt: Die Entfernung zum Markt ist die bei weitem wichtigste. Wie oft geht man schon ins Museum? Wie oft hingegen braucht man einen frischen Mangosaft oder ein Viertelpfund Serrano-Schinken? Richtig.

Was mich nahtlos zu einer VMDW-Tradition bringt: das erste Mahl im neuen Heim. Serrano-Schinken, natürlich, von einem dicken kahlköpfigen Katalanen abgeschnitten, der mein neuer bester Freund für die nächsten vier Wochen wird. Dazu Honigmelone, dickes Pa d’Olives (an Katalanisch muss ich mich erst noch gewöhnen, nachdem ich mir in Buenos Aires einen Porteño-Akzent zugelegt habe) und eine Flasche Cava. Eine. Flasche. Cava. Nur für mich. Denn hey, dies ist der Monat, in dem gelebt wird; die protestantische Arbeitsethik habe ich in Kopenhagen hinter mich gebracht.

Haus am Meer

Samstag, 27. August 2011

Ein Haus wie ein Déjà-Vu. Als ob man schon dreißigmal hier gewesen wäre, jeden Sommer wieder, immer im Eckzimmer oben rechts. Die Schaukelstühle auf der Veranda, die Wolldecken im großen Weidenkorb, die gestreiften Leinensofas, die geweißten Gläserregale im Speisesaal – das Badehotel Helenekilde in Tisvildeleje im Nordwesten von Seeland, etwa 60 Kilometer von Kopenhagen entfernt, ist auf eine fast unwirkliche Weise perfekt, ohne dass man allzu große Styling-Anstrengung dahinter spürt. Es hat genau die geschrubbte Gemütlichkeit, die man sich von einem Hotel am Meer wünscht. Leider ziemlich hellhörig und leider auch beliebtes Ziel für Business- und Kreativseminare. Nichts verdirbt die Ferienstimmung ja so verlässlich wie eine Gruppe von Menschen mit Namensschildchen.

Aber: das Mittagessen! Wir kamen recht spät angetrödelt, fast halb drei. Die Kellnerin musste erst nach dem Koch fahnden, um herauszufinden, ob es noch etwas zu essen gäbe. Nach zehn Minuten erschien sie, verkündete strahlend „Ich hab ihn gefunden!“ und begann, uns den Tisch vollzustellen. Mit Schüsseln voll Hähnchensalat, Krebsfleisch mit Avocado, Lachs mit Äpfeln, Rindercarpaccio mit Ziegenfrischkäse und einem unglaublichen gemischten Salat mit kandierten Walnüssen und Pistazien. Dazu selbstgebackenes Roggenbrot und gesalzene Butter und dieser Blick über den Kattegat, der süchtig macht.

Badehotel Helenekilde, Strandvejen 25, 3220 Tisvildeleje

Flødebolle

Samstag, 27. August 2011

Wer hat’s erfunden? Angeblich die Dänen, vor rund 200 Jahren. In jedem Fall ist der Flødebolle (Schokokuss, formerly known as Negerkuss) so etwas wie ein dänisches Grundnahrungsmittel: Jeder Däne isst im Schnitt 45 davon im Jahr. Verpackt sind sie doppelt und dreifach bruchgesichert in Volvo-artigen Tupperdosen. Mehr Schoko + weniger Schaum + essfreundlicheres konisches Design + Kokosstreusel = Samstagsfrühstück. Alles im Dienste der Recherche.

Inzwischen

Montag, 22. August 2011

Schön, hin und wieder war ich natürlich doch draußen, zwischen zwei Regenschauern, zwei Artikeln, zwei Büchern. Ein paar Bilder aus den letzten beiden Wochen.

Jeden Mittwoch backt die St. Peders Bageri in der Altstadt Onsdag Snegl, Mittwochsschnecken mit Zimt und Zuckerguss. Eine reicht, um einen für den Rest des Tages stumm und glücklich zu machen.

Sankt Peders Stræde 29, 7 bis 17.30 Uhr

Das Kettenkarussell im Tivoli. Klar war ich oben. Für den Preis einer Kinokarte. Es war… kreeeeeeeeiiiiiiiisch!

Und apropos Drehschwindel:

Kopenhagen hat neben den Onsdag Snegls auch andere atemberaubende Spiralformen. Links mein Lieblingsturm, der von der alten Börse, bei dem sich die Schwänze von vier Holzdrachen zu einer spektakulären Turmspitze verdrehen. Rechts der Turm der Vor Frelsers Kirke, den zu besteigen mindestens so eine Mutprobe ist wie das Tivoli-Karussell. 250 knarrende Holzstufen im Inneren, die in einer Art Hühnerleiter enden, 150 immer enger werdende Stufen außen am metallbeschlagenen Holzturm, der bei starkem Wind wackelt wie ein Drachenschwanz. Aber es gehört einfach dazu, einmal oben die Goldkugel mit dem fahnenschwenkenden Christus anzutippen.

Vor Frelsers Kirke, Skt. Annæ Gade 29, Turm täglich von 10 bis 19 Uhr geöffnet.

Das Palmenhaus im Botanischen Garten. Nichts, was man gesehen haben muss. Aber einer der nettesten Orte, um eine Box mit Take Away-Smørrebrød von Aamanns zu essen.

Aamanns Take Away, Øster Farimagsgade 10, in der Woche 10 bis 20.30 Uhr

Einmal über die Brücke von der Innenstadt kommend, zweimal rechts, und man ist im Havnebadet, einem kostenlosen Ponton-Schwimmbad direkt im Hafenbecken. Die Wasserqualität ist unbedenklich, wenngleich die Becken ziemlich veralgt sind. Stört keinen hier. Schon gar nicht die Jungs zwischen 5 und 55, die Arschbomben vom Sprungturm machen. Der perfekte Ort für einen faulen Sommersonntag. Oder -montag. Oder -dienstag.

Havnebadet Islands Brygge, wochentags 7 bis 19 Uhr, am Wochenende 11 bis 19 Uhr.

In der Pusher Street, der subtil benannten Hauptstraße von Christiania, stehen Büdchen, die fein säuberlich ausgebreitete Haschisch-Pieces und fertig gedrehte Joints in diversen Stärken anbieten. Bei näherer Überlegung: Nö, doch lieber ein hiesiges Öko-Bier in der Sonne vor dem Spielplatz. Wenn man ein bisschen abseits der großen Straßen spaziert, stößt man auf fast ländliche Idylle. Und im Garten eines der hübschen Häuser auf eine ganz traditionelle Hochzeit mit weiß gekleideter Braut und rot angelaufenem Bräutigam.

Und noch so ein vertrödelter Ort, in dem man ganze Nachmittage versacken kann: das Café Bang & Jensen in Vesterbrø. Flohmarkt-Interieur, Frühstück bis 16 Uhr (ich habe um 15.56 Uhr bestellt) und diese beeindruckende Sammlung von künstlerisch wertvollen Seebären-Bildern, unter der ich am liebsten sitze.

Bang & Jensen, Istedgade 130

Fro(h)kost

Donnerstag, 4. August 2011

„Wenn du willst, nehme ich dich mit zum besten Eisladen der Stadt. Donnerstag um 11?“ Ist das eine Frage? Zwar weiß man als Journalistin, dass „bester Eisladen der Stadt“ in der Regel „Ich kenne vier Eisläden, hier schmeckt es mir am besten und zufällig liegt er in der Nähe meiner Wohnung“ bedeutet (ich weiß das deshalb so gut, weil ich berufsbedingt auch oft zu Superlativen neige – und im Lauf meiner Karriere oft genug „Die 10 besten XYZ“-Listen geschrieben habe), aber in diesem Fall: You had me at Eisladen.

Die Einladung stammte von Agnes, die mir neulich als meerfrau in den Kommentaren einige gute Kopenhagen-Tipps gab und seit einem Jahr über ihr Leben hier in der Stadt bloggt. Und die tatsächlich einen verdammt guten Eisgeschmack hat: Ismageriet auf der Insel Amager im Süden der Innenstadt macht phantastisches Rhabarber-, Lakritz- und Blaubeereis (die anderen Sorten dann beim nächsten Mal). Es war zwar erst mein erster Eisladen, aber was soll ich sagen: der bisher mit weitem Abstand beste der Stadt.

Ismageriet, Kongelundsvej 116, Kopenhagen 2300

Ørestad auf Amager ist zugleich Standort eines der spannendsten europäischen Städtebauprojekte, das wir uns hinterher auf einem ausgedehnten Spaziergang anguckten. Höhepunkt: Das 8 House (unten), ein Wohnblock mit fast 500 Einheiten in Form einer liegenden 8, der einen spektakulären Blick über das Naturschutzgebiet bis zum Meer bietet. Eine Rampe im Inneren windet sich wie eine Dorfstraße an allen Wohnungen vorbei, die meisten mit kleinen Vorgärten. Das Konzept ist faszinierend, die Wohnungen sehen (von außen, mit plattgedrückter Nase am Küchenfenster) fantastisch aus. Wen’s interessiert, hier ist ein viertelstündiges Video, in dem der Architekt Bjarke Ingels die Idee mitreißend erklärt (auf dänisch mit englischen Untertiteln). Auf meiner Einkaufsliste: Sein programmatischer Architekturcomic Yes is more, schon des schönen Titels willen.

Hier radelt er durch den Shanghaier Expo-Pavilion, den sein Büro ebenfalls entworfen hat.


Yum.

Dienstag, 26. Juli 2011

Wer war das bitte noch mal schnell, der mich neulich hier in den Kommentaren auf Ottolenghi aufmerksam machte? Kusshand! Das war wirklich eine grandiose Empfehlung. Wann immer ich kann, kaufe ich dort mit halb gutem Gewissen (tolle, frische, interessante Salate) und halb schlechtem (Apothekerpreise, sagenhafte Kuchen). Absolut empfehlenswert.

Ottolenghi, hier: Filiale Notting Hill, 63 Ledbury Road

Charming

Donnerstag, 21. Juli 2011

Der Afternoon Tea im Langham ist letztes Jahr mit dem Oscar der Teewelt, dem Tea Guild’s Top London Afternoon Tea Award, ausgezeichnet worden. Musste also getestet werden. Ganz große Oper: Hummer- und Lachs-Sandwiches, Himbeer-Macarons und Mangotörtchen, Scones mit weißer Schokolade und in Louis Roederer-Champagner eingelegten Rosinen (really!) und natürlich ein Tee-Sommelier. Teuer, aber man muss davor und danach und am folgenden Tag nichts mehr essen.

The Langham, 1c Portland Place, Regent Street

Stammkneipe, auf der Stelle

Freitag, 1. Juli 2011

Von hier könnte ich notfalls sogar nach Hause kriechen: The Prince Alfred, mein neuer Pub gleich um die Ecke. Heute nachmittag mit klassischem Maida Vale-Fuhrpark davor: Kinderwagen und Klapprad mit Tesco-Tüte. Und nur britische Männer tragen ihre Hemden und Pullis so… so halt.

The Prince Alfred & Formosa Dining Room, 5A Formosa St, Westminster, London W9 1EE